Jojo
07.03.2023, 00:10

+47Ferien-Villa 6374.

Hallo!


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Gemäß einer von mir selbst gestreuten Legende erhielt ich dieses Set zu meinem Geburtstag im Ausgabejahr 1983, was nun weidlich vierzig Jahre her ist. Da die Erinnerung aber die Kindheit zu einem zeitlich nicht klar unterschiedenen Ewigkeitsbrei verklärt, mag es auch der Geburtstag im Folgejahr gewesen sein. So oder so fand die erste Begegnung mit dem Set im 1983er Lego-Katalog statt, wo wir lesen können:

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"Ferien-Villa mit Sonnenterrasse, Gartenmöbeln, Auto und Gästen. - (Neuheit. Lieferbar ab Januar 1983)"
Klar, die Legoland-Stadt ist ein dänisches Feriendorf; einfach nur alltäglich zu wohnen, wäre zu trist und zu langweilig.

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Naturgemäß wünschte ich mir dieses schöne Modell zum Geburtstag. Dankenswerterweise war es ja ab Januar erhältlich, was bei späteren Geburtstagswünschen nicht mehr so gut aufging. 1984, die neuen Ritter, erhältlich ab April. 1989, die Piraten, erhältlich erst ab Mai. Aber hier war die Welt noch in Ordnung.

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So in Ordnung war die Welt da noch, daß noch der Mann am Grill stand und brutzelte, während die Frau bewundernd danebenstand. (Heutzutage undenkbar. Nämlich das Bewundern. Die Kerle stehen immer noch am Grill.)

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Die Frau ihrerseits war noch handarbeitlich bewandert und ließ es sich nicht nehmen, ihre Garderobe selbst zu schneidern. Und was läge da näher, als sich stilistisch der Markise und dem Sonnenschirm des gebuchten Ferienhauses in Dänemark anzupassen? Eben, nichts läge näher!

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Ebenso war etabliert, daß der Herr der Schöpfung die Verfügungsgewalt über das Automobil besaß. Außer bei uns, da saß immer Mama am Steuer, bis auf das eine Jahr, wo sie sich den Arm gebrochen hatte und darum Papa uns in den Urlaub fahren mußte. Blut und Wasser haben wir geschwitzt!

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Aber unser unbenamster Set-Protagonist händelt die Situation virtuos.
Die Zypresse, von mir damals "Pappel" geheißen, wurde von Lego stets nur sehr zaghaft im Sortiment verteilt, jedoch war 6374 zu diesem Zeitpunkt schon das sechste Set, welches eine enthielt. Auf das sechste Set kommt ihr nie! (Jaja, die Cheater bemühen die Datenbanken.)

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Einen Urlaubstag in der Sonne Jütlands verbringt man bevorzugt im Freien. Abends schließt man dann die Fensterläden und zieht die Markise ein, um den Tag in der gemütlichen Behausung ausklingen zu lassen. Den untersten weißen 1x1-Stein des Markisenpfostens ersetzte ich als Kind natürlich durch einen blauen Einer. Lego hat es immer schon verstanden, mich zu triggern.

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Mir ist bewußt, daß die Hausnummer der Setnummer entspricht. Aber es ist schon von komischer Ironie, daß so in der an Wohnbehausungen stets armen Legoland-Stadt eine weitaus höhere Bebauungsdichte vorgegaukelt wird. Nach 373, 6365 und 6372 war dies das vierte Haus der Stadt im Minifigzeitalter. Nun ja, die restlichen siebzig Häuser in der Straße mußte sich das Kind halt selbst bauen, is' ja Lego!

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Während es das Privileg des Mannes ist, im Freien ..äh.. zu kochen, also am Grill, ist es die Pflicht der Hausfrau, im Innern die Küchengeräte (wahrscheinlich von "Privileg") zu bedienen. Wir reden hier von 1983. Die Grünen zogen in den Bundestag ein, und die Herren von der CDU/CSU beömmelten oder - wahlweise - empörten sich über strickende Bartträger.
Der Glastisch war ebenso eine Sensation wie der transparente Minifigkopf als Tischleuchte. Freilich soll man sie gemäß Bauanleitung ungünstig platzieren: Die Minifig weiß ihre Arme nirgends zu lassen.

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Darum erlaubte ich mir, die Lampe zwischen einen Noppenvierer zu versetzen, derweil die züchtige Hausfrau waltenderdings die Reste vom Grillnachmittag serviert.
Im Wohnbereich der Ferien-Villa ist es etwas zugig, denn die Markise erfordert einen Spalt unter der Decke.

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Apropos Decke. Ich könnte unter selbige gehen! Du weißt, daß du die Kontrolle über deine Legosammlung verloren hast, wenn du an allen möglichen Stellen nach einem bestimmten Teil suchst, und es nicht findest. Denn.
Das gezeigte Exemplar des Sets 6374 kaufte ich später als Sammler nach, und es ist komplett. Das Set, welches ich an meinem Geburtstag im Jahre 1983 aus dem Karton zog, wies hingegen einen Makel auf. Es lag nämlich anstelle einer weißen 6x8-Platte, welche im Fußboden des Dachgeschosses verbaut werden soll, eine baue 4x8-Platte bei. Und meine Kindheitslegosammlung erlaubte es nicht, so ein fehlendes Teil einfach mal so aus dem Bestand zu ersetzen.
Aber! Nur wenig später lag das Glück auf der Straße. Es lag dort nämlich eine weiße 6x8-Platte, etwas dreckig und wohl schon von Autos überrollt, und es handelte sich auch um ein älteres Exemplar mit Waffelmuster, aber natürlich hob ich sie auf, um sie einzubauen. In dem Moment wußte ich: Es gibt einen Gott! Und jetzt finde ich exakt dieses Teil in meinem Lego-Lager nicht wieder. Grund genug, um vom Glauben wieder abzufallen.

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Im Lande der Velux-Fenster werden Dachfenster selbstverständlich gekippt. 1983 war dies ein neues Teil, und der Einbau erforderte eine gewisse Fingerfertigkeit.

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Immerhin, es gibt ein Ehebett. Minifigs sind aber entweder nicht für die Ehe geschaffen, oder sie müssen sich irgendwie arrangieren. Außerdem schlafen sie immer in ihrer Tageskleidung. Und eine Waschgelegenheit gibt's nicht. Schon gut, daß sie keine Nasen haben.

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Die Dachform fand ich immer äußerst elegant. Später frug ich mich überdies, ob sowas gemeint war mit dem "Doppeldachhaus", in dem Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland lebte und starb?

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Im Schiebekarton liegt die Grundplatte unter dem weißen Einschuber in der Außenhülle.

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Wie üblich zeigt die Kartonrückseite vielfältige Anregungen für Umbauten. Es nützt freilich nichts, aus diesem Set die fehlenden siebzig Wohnhäuser zu bauen, denn es gibt ja nur die Hausnummer 74.

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Neben der sorgsam gefalteten Bauanleitung lag (vermutlich) auch ein Legoland-Katalog bei. Aus diesem erfahren wir, daß der dänische Tourismusverband dieses Haus in Frankreich als "La maison de campagne" und in Italien als "Villa di campagna" bewirbt.

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In diesem Sinne: Schönen Urlaub!


Tschüß
Jojo


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Seeteddy
07.03.2023, 14:33

Als Antwort auf den Beitrag von Jojo

Re: Ferien-Villa 6374.

Servus Jojo!

Hach, was für ein schöner Artikel zum Dahinschwelgen.

Keiner kann die Befindlichkeiten der frühen Minifiguren so schön beschreiben wie du.
Wobei man des Öfteren froh ist, nicht selbst zu dieser Spezies zu gehören, sondern nur zur Sorte ihrer bekloppten Besitzer.

Jedenfalls hast du mit diesem Artikel wieder viele LEGO-Begeisterte glücklich gemacht -
und, was kann man sich Schöneres zum Geburtstag wünschen?

kreative Grüße
Klaus


In Internetforen wimmelt es nur so von fehlerhaften Zitaten.

Johann Wolfgang von Goethe


Jojo
08.03.2023, 00:39

Als Antwort auf den Beitrag von Seeteddy

Re: Ferien-Villa 6374.

Hallo!


Danke sehr. Es freut mich, wenn's pläsiert.


Tschüß
Jojo


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Maik-David
08.03.2023, 10:12

Als Antwort auf den Beitrag von Jojo

Re: Ferien-Villa 6374.

Hallöchen Jojo,

das ist ja wieder ein super Artikel von Dir.

Ja in Erinnerung schwelgen ist schon eine hohe Kunst!

Fein gemacht! und

I a F

Maik-GC


Maik-GC das Ma aus MaBiDaTi (WOLS) = without LEGO®Support

MDR in GC
https://www.youtube.com/w...OlQpw&feature=youtu.be


Ben®
10.03.2023, 10:35

Als Antwort auf den Beitrag von Jojo

Re: Ferien-Villa 6374.

Happy Birthday (nachträglich), Jojo!

Schöne Würdigung dieses gar nicht so üblen Sets. Ich habe jedes wohlgewählte Wort mit Genuss goutiert - auch die kleinen Ausflüge ins damalige Leben nach der gern so verkauften "geistig-moralischen Wende".
(Ein Lesetip zum damaligen Zeitgefühl wäre der "13. Monat" von David Mitchell - auch wenn es nicht unterm dumpfen Kohl spielt, sondern über die Zeit bei dessen Vorbild - der Eisenen Lady. Falklandkrieg hieß die damalige Zeitenwende.)

Mir bot das Lego-Set damals zuviel Basic, um es wirklich interessant zu finden - Basic hatte ich von den älteren Geschwistern genug. Gebäude waren auch nicht mein Fokus, sonst hätte ich die Vielzahl der Dachsteine zu schätzen gewusst. Heute denke ich da natürlich anders drüber und verkläre das Set mit Dir.

Jojo hat geschrieben:


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Was mich noch interessiert: die Markise ist ein Folienaufkleber, oder? Häld das gescheit auf der Struktur der Garagentorteile? Und ist beim Aufkleber dann die Farbe auf der Kleberseite?! Gab es das anderswo auch? Die Aufkleber der Küche sind dann auch aus selbiger Folie und über Steingrenzen hinweg - also heutzutage fast immer verloren/zerstört?

Liebe Grüße und auf die nächsten 40 Jahre!

Ben


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mehr Bilder gibt's hier:

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"blay s....!" - Aber China Klone (puke!) sind noch viel schlimmer...


Jojo
11.03.2023, 13:20

Als Antwort auf den Beitrag von Ben®

Re: Ferien-Villa 6374.

Hallo!


Aut prodesse aut delectare volunt poetae, wie wir ja wissen. Also freut es mich, wenn's gefällt.

Und damit es auch nützt: Diese Garagenteile sind auf einer Seite strukturiert und auf der anderen Seite glatt. Wer also gewitzt war, hat den Sticker auf die glatte Seite geklebt. Und das hält bis heute. Zur Not war der Markisenaufkleber aber auch als Ersatzteil auf dem Bogen doppelt angelegt.

Die Ofen- und Kühlschrankaufkleber (ja, zwei getrennte Aufkleber) werden in der Tat über zwei aufeinandergesteckte 2x4-Steine geklebt. Nach meiner Beobachtung wurde diese Kombination samt Herdplatten-Fliese aber vielfach als Ensemble so erhalten, ich sah sie schon mehrfach in Gebrauchtware. Sogar meine eigene Küchenkombo von damals existiert noch, und ich habe sonst alle anderen Kindheitsaufkleber wahrscheinlich schon am zweiten Tag verworfen und vernichtet. Vielleicht liegt's daran, daß so recht eigentlich kein Bedarf bestand, ausgerechnet diese zwei gelben 2x4-Steine anderweitig zu verbauen.


Tschüß
Jojo


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