Zypper
16.04.2021, 08:45

+2Der Blick nach Innen: Zum Werk von "legobjectif"

Guten Morgen zusammen!


Heute möchte ich euch einladen, die Arbeiten eines jungen Kollegen kennenzulernen, der mir bei meinen Streifzügen durch die LEGO-Welten bei Instagram begegnet ist. Er heißt Sacha und lebt in Frankreich.

Lasst ein paar Bilder zunächst auf euch wirken bitte!

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Diese und die anderen Scrrenshots erscheinen hier mit freundlicher Zustimmung des Künstlers.

Nun möchte ich euch bitten: Baut doch spontan eine Strandbar, baut eine Szene an einem Skilift – und versucht euch an einem Schwert. Aber verbindet euch die Augen dabei!

Dann seid ihr ungefähr in der Situation, in der sich dieser Sacha befindet, wenn er sich ans Werk macht. Wenn er „seine Welt“ in Szene setzt. Wenn er – mit einem Wort „zu sehen“ beginnt.

Was normal Sehenden selbstverständlich wird, verwandelt sich bei einem Ausflug in die Dunkelheit in eine Herausforderung der besonderen Art. Das erste „Opfer“ sind die Farben. Plötzlich geht es um etwas ganz anderes als darum, dass etwas „hübsch anzuschauen“ ist.

Aber worum genau?

Da muss ich auf ein bekanntes Zitat des berühmtestens Malers der deutschen Früh-Romantik zurückgreifen: Caspar David Friedrich. Wer das Glück hat, in Dresden zu wohnen, besuche die Brühlschen Terrassen, dort liegt der Gedenkstein für den in dieser Stadt Gestorbenen. Hier ist er!

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Es trifft auch für diesen Sacha und seine Bauten den Kern der Sache: Dieser junge Mensch, der schlecht sehen kann, baut, was er in sich sieht!

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Da besteht ein Liegestuhl am Strand aus fünf Steinen, davon ist einer ein Dachstein, auf diesem Kissen ruht eine Minifigur – und das ist es, das ist alles: Das ist ein Liegestuhl! Sein Wesen ist erfasst mit einem Material, das für die Darstellung dessen, was man in sich sieht, nicht besser geeignet sein kann. Mehr braucht es nicht: bunte Basic-Steine! Und bestenfalls noch eine Figur.

Schaut euch nun gern ein paar weitere Beispiele an:

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Ohne die Titel wäre das, was hier zu sehen ist, kaum von dem zu unterscheiden, was es auf öffentlichen Bautischen im Publikumsbereich zu sehen gibt. Der Titel macht nun den Unterschied – und das Prinzip ist auch hier völlig gleich: Die Seele dessen, was dargestellt werden soll, ist mit „ein paar Steinen“ hinreichend dargestellt: „Moderne Kunst“ wird in diesen beiden Arbeiten dieses jungen Künstlers im „Geist“ völlig erfasst: Er hält sich nicht auf mit „Verstehenwollen“, sondern er stellt dar. Setzt sich auseinander. Findet seinen persönlichen Zugang. Verwandelt das, was er „in sich sieht“ – in ein MOC!

Beim nächsten Beispiel lasse ich mal bewusst den Titel weg und lade dazu ein, zunächst einmal selber herauszubekommen, um welches weltbekannte Gebäude es sich hier handeln könnte?

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Mach gern eine kurze Spoilerpause!







Klar, das UNO-Hauptquartier in New York, genauer: Das von Le Corbusier/Oscar Niemeyer entworfene Sekretariatsgebäude. So sieht es bei Wikipedia aus:

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Aber woran hast du das erkannt? Halt dich mal nicht mit den Farben auf, wie gesagt. Aber die Fenster: Das sind doch bloß erstens pro Etage viel zuwenig Fenster und zweitens viel zu wenig Etagen. Also an den Fenstern und an der Geschosszahl kann es nicht liegen. Woran aber liegt es dann, dass du ziemlich schnell und ziemlich sicher auf das UNO-Gebäude getippt hast, auch wenn es das „nicht ist“? Mit einem Wort: Wie ist die Seele dieses Gebäudes, wie dessen „Geist“ so erfasst, dass du, der du nicht in New York gewesen und davorgestanden haben musst, um das zu wissen, dennoch „weißt“: Das ist das UNO-Gebäude!?

Gibt es am Ende bei den Bildern, die man „in sich sieht“, Übereinstimmungen über die Fähigkeit, gesund sehen zu können, hinaus?

Was mich fasziniert – und deswegen zeige ich euch diese MOCs sehr gern – ist, dass es darauf für mich bisher jedenfalls keine klare Antwort gibt. Warum weiß ich spontan, was gemeint ist – und warum vermisse ich beim Anblick des Liegestuhls „nichts“?

Sicher: Begabte und hochgeschickte Szenegrößen nehmen Elemente zur Hand, die man entweder noch nie gesehen hat oder jedenfalls nicht in diesem Zusammenhang – und verwandeln diese in ein Kleinod von Liegestuhl, in eine filigrane Zusammenstellung, in ein Kunstwerk. Seele des Gegenstandes erfasst, NPU! Liken und weiterklicken.

Ist aber dadurch der grobbunte Liegestuhl danebengehalten weniger kunstvoll, weniger geisterfassend gebaut? Das Ergebnis ist doch unterm Strich dasselbe: Es fehlt nichts! Worauf kommt es schließlich an, wenn man mit LEGO baut? Dass etwas fehlt oder dass noch etwas dazukommen muss oder dass etwas „in LEGO“ ja doch nie so werden kann, wie es in Wirklichkeit „ist“? Wenn also etwas fehlen sollte: Was dann genau?

All das geht mir durch den Kopf, wenn dieser Sacha alle paar Tage mal wieder etwas Neues postet. Nie wische ich da sofort weiter – immer bleibe ich irgendwie hängen. Und habe zu denken. Und staune!

Abschließend noch ein paar Bilder, die als ein Kommentar zur aktuellen Situation gelesen werden können:

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Nun würde den Sacha sehr interessieren, was ihr von seinen Arbeiten haltet und wie ihr darüber denkt. Eure Statements leite ich ihm dann gern weiter.

Es würde mich freuen, wenn es mir gelungen ist, etwas von der Begeisterung, die bei mir diese MOCs auslösen, euch weiterzugeben. Wenn ihr euch einen eigenen Eindruck von seinem umfangreichen Werk verschaffen möchtet: Findet „legobjectif“ bei Instagram und folgt ihm! Darüber freut er sich bestimmt!

Wen würdet ihr gern vorstellen, der euch bei euren Streifzügen durch die Weiten des digitalen LEGO-Netzes begegnet ist?

Gespannten Gruß
Zypper


Mit Gruß und Dank
Zypper

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Über das Projekt 366 bei FlixBrix
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Zypper im SWR-Treffpunkt "Sammelleidenschaft" ab Minute 8.
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Zyppers Werke in einer Diashow 1989-2020


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