HoMa
28.06.2006, 11:06

Bauunlust ... ein Analyseversuch (Teil 1)

Bauunlust

Diese Wort mit den vielen "u" scheint sich wohl so langsam zum Unwort des Jahres vieler 1000steine- und LEGO-Fans zu entwickeln? Ich möchte in diesem Beitrag versuchen, verschiedene Aspekte dieses Mysteriums aufzuzeigen. Also der Frage nachgehen, was Bauunlust ist und welche Auswirkungen sie hat. Dem gegenüber möchte ich auch die Situation aus meiner ganz persönlichen Sicht schildern.

Bauunlust bezeichnet aus meiner Sicht einen (zeitweisen) Zustand eines LEGO-Fans, der zwar über die notwendigen Ressourcen wie Zeit, Platz oder Material verfügt, gleichzeitig aber keine Inspirationen zum bauen neuer Kreationen hat. Oder sich zumindest einredet, keine Inspiration zu haben. Betroffene AFOLs scheinen einen sehr sehr guten Mechanismus zu haben, diesen Zustand der Bauunlust zu hegen und zu pflegen. Nahezu alle Faktoren werden aufgegriffen um als Beweis der Bauunlust "mißbraucht" zu werden. Diese Faktoren liegen sowohl in externen - also von der betroffenen Person nicht direkt beeinflussbaren Faktoren als auch in internen - als von der Person beeinflussbaren Faktoren.

Externe Faktoren

- Farbänderung von hell-/dunkelgrau und braun
- Qualitätsprobleme bei LEGO
- allg. Firmenpolitik von LEGO (Abschaffung 9V System, nicht AFOL-gerechte Themen, Stellenabbau und Produktionsverlagerung usw.)

Diese Faktoren sind jeder für sich sicherlich sehr ärgerlich und lösen beim LEGO-Fan verständlicherweise keine Begeisterungsstürme aus. Man fragt sich, ob man für so eine Firma durch MOCs auf Ausstellungen und der eigenen Homepage Werbung machen möchte. Das ist aus meiner Sicht berechtigt, reicht aber gleichzeitig nicht dazu aus, eine notwendige Bedingung für eine Bauunlust darzustellen. Ich nehme mal mich als Gegenargument. Ich lass diese externen Faktoren der Firma LEGO nicht so nah an mich ran, finde es zwar nicht toll, arangiere mich (noch) damit. Ich habe auch im sechsten Jahr meines AFOL-Daseins genug Möglichkeiten, mein Geld für das Hobby zu investieren. Auch wenn ich keinerlei Sets mehr kaufe, der Kiloverkauf und diverse BrickLink-Händler dürften mich als guten Kunden in Erinnerung haben. Ich kann also genug "Material" für MOCs beschaffen. Ich kann auch gut damit leben, dass ich trotz aller unklugen Schachzüge von LEGO indirekt Werbung für LEGO mache. So nach dem Motto: "Seht her was man trotz der widrigen Umstände doch noch alles machen kann!"

Interne Faktoren

- Material ist unsortiert und mocen bedeutet zu 70% Sortierarbeit
- Platzmangel, man baut lieber kein MOC, weil man nicht weiß, wo man es hinstellen könnte
- Mangelnde Inspiration. Man weiß nicht was man bauen soll, man geht mit leerem Blick durch die Gassen und über den Bahnsteig. Jedes (Eisenbahn-)Vorbild hat doch schon irgendwer viel besser gebaut, es gibt nichts was man noch bauen könnte, was dann auch noch ein Alleinstellungsmerkmal darstellt. Und wer braucht schon die zwanzigste Version einer E03 oder einer BigBoy-Dampflok?
- Anspruch, man baut kein MOC, da man sich einredet, dass es den eigenen, hohen Ansprüchen nicht mehr gerecht wird und man den Zenit in Sachen Bautechnik bereits überschritten hat. (Man könnte das eine Art "Zidane-Phänomen" nennen)
- Gleichzeitig sieht man aktuelle MOCs (z.B. von Misterzumbi oder mijasper und Co.) und dann sagt man sich: "dieses Niveau kann ich eh nicht erreichen, also lass ich es lieber gleich sein."
- Keine Zeit, da man sich um Beruf, Familie, Weltmeisterschaft oder andere Dinge kümmern muss.
- Allgemeine Unzufriedenheit mit sich selber in der Welt. Die Bauunlust ist nur ein Teilaspekt einer allg. Unlust im Leben.

Einige dieser internen Faktoren kenne auch ich. Wer sich meine Homepage anschaut wird auch feststellen, dass hier lange nichts mehr passiert ist. Venedig war eine echte Herausforderung für das 2. TSL. Beim 3. TSL sollte es noch schöner und größer werden. Und was war, ich habe es gerade mal geschafft ein weiteres Haus in sandblau dazu zu bauen. Auch der Kurzurlaub in Venedig hat nicht dazu geführt, diese MOC zu aktualisieren bzw. zu erweitern. Nachdem ich es zum vierten Mal im Jahr 2005 nach einer öffentlichen Ausstellung abgebaut hatte, hab ich mir gesagt, dass es doch einfacher wäre, alles wieder auseinander zu nehmen. Jetzt denke ich, dass es gut war, dies nicht zu tun. Venedig steht in Kisten verpackt im Keller und wurde diese Jahr noch keines Bilckes gewürdigt. Für mich ist das Ok, irgendwann kommt vielleicht wieder der Gedanke, diese ABS Wasserstadt mal wieder aufzubauen oder umzubauen.

Relativ inspirationslos habe ich dann auch das letzte Jahr verbracht, das einzige MOC war die alte Stuttgarter Straßenbahn "Linie 15". Allerdings wurde diese nie ganz fertig, weil immer noch die Aufkleber fehlen. Aber eine kurze Dienstreise in eine deutsche Landeshauptstadt hat dann im März 2006 wieder das Baufieber ausgelöst und ich hoffe stark, dieses MOC bis zum TSL fertig zu bekommen. Also von Bauunlust kann bei mir gerade keine Rede sein. Ich hab mich auch gefragt, ob man seine eigene, hohe Messlatte erreichen und übertrumpfen kann. Ganz subjektiv würde ich jetzt sagen: Ja man kann. Ein vieleckiges Gebäude mit Innenausstattung stellt andere und neue Herausforderungen an die Baukunst als ein rechteckiger BigBoy-Tender oder ein rechteckiger Venedig-Wohnkasten.

... weiter siehe Teil 2


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nikomatic
29.06.2006, 16:34

Re: um den medientheoretischen faden etwas weiterzuspinnen...

» interessanterweise wechselt grubaluk in seinem argument das medium: vom
» klassischen
» Musikinstrument, eine[r] Kamera, [der] Schrift und Pinsel und Papier
» kommt er ziemlich schnell zu
» » Urlaubsvideo, Breitwand-Weltraumfeuer und finnischem Problemfilm.
» - und zwar nicht zufällig. erstgenannte medien symbolisieren die
» klassischen künstlerischen ausdrucksmittel, bei denen - stark vereinfacht
» - vermittels der hand des künstlers seine individualität unverwechselbar
» in das werk mit einfliesst.
» letzteres medium aber gehört zu den modernen massenmedien (d.h. photo,
» film, digitales gedöns), deren vornehmliche eigenschaft der technischen
» reproduzierbarkeit jegliche auratische qualität ausschliesst.

Nein.
Pinsel und Papier waren auch einmal Massenmedien und
Schrift- und Bildkopierer war ein Beruf bei dem es auf Ausschluß von individualität und unverwechselbarkeit ankam.
Die Aussage bei photo,film und digitalem gedöns wäre jegliche
auratische qualität von vornherein auszuschließen diskreditiert
mindestens drei Branchen, diese Aussage ist absolut inakzeptabel,
ich muß das schreiben, weil einige es gut fanden.


» ..
» legosteine weisen nun gerade diese qualität der unendlichen, industriell
» produzierten verfügbarkeit und reproduzierbarkeit auf: jeder stein ist
» überall auf der welt formal standardisiert, in massen verfügbar,
» universell kombinierbar. jede kombination kann beliebig vervielfältigt und
» in ihre bestandteile zurückatomisiert werden, man landet beim immer
» gleichen ausgangsstoff.
» im gegenzug verweisen die produkte imer auf diese eigenschaft der
» reproduzierbarkeit: alles ist nachbaubar, erweiterbar, veränderbar,
» austauschbar. einen individuellen anstrich gibt es lediglich in der, wie
» grubaluk schrieb, geburtsphase des mediums, wo neue ideen für kurze zeit
» einen urheber beanspruchen können, bevor sie ins allgemeingut übergehen
» (wie lange wird man sich auf den hitchcock-zoom als solchen beziehen? wer
» weiss schon noch den ersten photographen des in milch fallenden tropfens,
» wer kennt/interessiert sich für den urheber der basic-programmiersprache
» usw.).
» darin sehe ich die crux des legosteins, der ein entindividualisierter
» baustein mit den besagten eigenschaften ist, damit auratische schöpfungen
» nicht zulässt, zugleich jedoch sein potential erst in der massenhaften
» anwendung und weiterentwicklung auf einer anderen ebene als der der
» individuellen kreation erst entfalten muss.
»
» ob das jemals der fall sein kann/wird, wird sich erst dann zeigen, wenn
» der bisher gehaltene standard (z.b. mit noppen versehene, in massen
» produzierte und distribuierte steine) mittel- bis langfristig
» durchgehalten wird, um dem medium legostein die möglichkeit der entfaltung
» zu bieten, wie sie photographie und film (übrigens trotz ständiger
» veränderung der jeweiligen standards!) seit etwa 100 jahren haben.

Ich machs hier mal ganz kurz:
Generell schließt Du zu sehr vom genutzten Medium zur fertigen Arbeit.
Würde man sich konsequent auf Deinen hier angegeben Weg begeben,
wäre es möglich beim Anblick eines Picasso zu sagen:
"Ach Killefitz! Farbpigmente auf helle Oberflächen - das haben doch schon
Leute vor 5000 Jahren gemacht."

Du stehst nicht nur vor Farbpigmenten, Bildpunkten, oder farbigen Plastikeinheiten.
Du stehst immer vor der Arbeit eines Menschen, der sich (hoffentlich) Gedanken gemacht hat und im besten Fall eine Idee dazu oder ein Gefühl transportiert, in dir Gedanken aufkommen lässt oder vielleicht,
das wirklich älteste Business der Welt, eine Geschichte erzählt.

Letztendlich zählt, was im Kopf des Betrachters ankommt/passiert und nicht obs aus Plastik gestöpselt ist, oder mit graphit auf leinen verteilt.

Niko

Sorry4thegrosseKLEINgeschraibung...
»
» naja, so weit so schlecht in einem zuge hingeschrieben. wer rausfindet,
» woher ich das alles geklaut und 'umgebaut' habe, kriegt eine
» walter-benjamin-gedenk-minifigur gespendet... äh, ups :-D na seis drum.
»
» cu, r.


TASTER
30.06.2006, 09:46

...Nachtrag....

Hallo Holger,

also erstmal Wahnsinn, wie man so viel Wahrheit ganz alleine verfassen kann

Ich hätte da noch einen kleinen Nachtrag/Vorschlag...

Wenn man nur Eisenbahnen, Burgen oder Raumschiffe baut, darf man sich wohl nicht wundern, wenn es irgendwann nichts mehr gibt, was nicht schon irgendwer in diesem Themenbereich gebaut hat. Aber es gibt genug Gebiete in diesem Hobby, die immer noch in der Anfangsphase stecken, da sich einfach nur sehr wenige Leute damit beschäftigen... Und wenn man ein Alleinstellungsmerkmal sucht sind solche Gebiete gar nicht schlecht Skulpturen zum Beispiel oder große Technikmodelle, funktionierende Pneumatik, Mosaike, und und und...

Bei mir ist es viel eher das Problem, dass ich im Moment nur wenig Zeit für Hobbys im Allgemeinen über habe (aber das wird sich über kurz oder lang hoffentlich wieder ändern).


ratz
30.06.2006, 23:07

Re: Re: um den medientheoretischen faden etwas weiterzuspinnen...

zu irgendwas muss das studium ja gut gewesen sein, zum geld verdienen wars das jedenfalls nicht :-D

cu, r.


ratz
30.06.2006, 23:09

Re: Re: um den medientheoretischen faden etwas weiterzuspinnen...

jetzt finde ich doch keinen minifig-kopf mit schnauzbart und (runder) brille...?!


ratz
30.06.2006, 23:10

wenn man keine ahnung hat, einfach mal bei legosteinen bleiben ;-) (ohne Text)


grubaluk
01.07.2006, 00:03

Re: Re: Re: um den medientheoretischen faden etwas weiterzuspinnen...

» jetzt finde ich doch keinen minifig-kopf mit schnauzbart und (runder)
» brille...?!

Nicht nötig :-)

Vor ein paar Jahren hab ich das mal gelesen. War nicht ganz meine Meinung.
Aber das ist ja auch leicht gesagt, denn hinterher ist man immer schlauer.
Die Zeit hat halt einige Fragen geklärt - auratische Werke gibt es immer noch,
Massenmedien gibt es trotzdem. Da ist für alle was dabei.

Das Massenmedium halte ich auch nicht automatisch für demokratischer ("fortschrittlicher"
hätte Benjamin gesagt). Vielleicht im Konsum, aber sicher nicht in der
Produktion. Den meisten Menschen ist es nicht möglich, einen Film zu drehen,
aber ein Bild zeichnen, das kann man fast auf der ganzen Welt.

Das wird jetzt völlig OT, da kratzt ich ich noch mal schnell die Kurve hin zum
Thema. Mit Lego zu bauen, ist im weltweiten Maßstab auch eine etwas priviligiertere Methode
des Zeitvertreibs. Ich versuche immer, das nicht zu vergessen. Graubrobleme hin,
Blauprobleme her - es gibt existenziellere Treffer, die einen Menschen erwischen können.

Oje, das war jetzt sehr pathetisch.

Viele Grüße
Andreas


legoeisenbahn
01.07.2006, 00:49

Positives

So nun macht mal Halblang. Ich finde es nicht toll, wenn man kopiert wird aber dass mehr Leute dieses Hobby gewählt haben und Deine Burg und keine andere nachbauen, ist doch sehr positiv. Oder nicht ?
Gruss


legoeisenbahn
01.07.2006, 01:05

Einloggproblem

Hallo Dirk
Habe leider das Login Problem auch dauernd, da ich ein Spamschutz in Betrieb habe. Gruss


ratz
01.07.2006, 17:02

dies wort zum samstag lass ich mal so stehen :-) (ohne Text)


nikomatic
03.07.2006, 12:01

So deutlich wollt ichs gar nicht sagen, aber schön daß Du's kapiert hast


Gesamter Thread: