HoMa
28.06.2006, 11:06

Bauunlust ... ein Analyseversuch (Teil 1)

Bauunlust

Diese Wort mit den vielen "u" scheint sich wohl so langsam zum Unwort des Jahres vieler 1000steine- und LEGO-Fans zu entwickeln? Ich möchte in diesem Beitrag versuchen, verschiedene Aspekte dieses Mysteriums aufzuzeigen. Also der Frage nachgehen, was Bauunlust ist und welche Auswirkungen sie hat. Dem gegenüber möchte ich auch die Situation aus meiner ganz persönlichen Sicht schildern.

Bauunlust bezeichnet aus meiner Sicht einen (zeitweisen) Zustand eines LEGO-Fans, der zwar über die notwendigen Ressourcen wie Zeit, Platz oder Material verfügt, gleichzeitig aber keine Inspirationen zum bauen neuer Kreationen hat. Oder sich zumindest einredet, keine Inspiration zu haben. Betroffene AFOLs scheinen einen sehr sehr guten Mechanismus zu haben, diesen Zustand der Bauunlust zu hegen und zu pflegen. Nahezu alle Faktoren werden aufgegriffen um als Beweis der Bauunlust "mißbraucht" zu werden. Diese Faktoren liegen sowohl in externen - also von der betroffenen Person nicht direkt beeinflussbaren Faktoren als auch in internen - als von der Person beeinflussbaren Faktoren.

Externe Faktoren

- Farbänderung von hell-/dunkelgrau und braun
- Qualitätsprobleme bei LEGO
- allg. Firmenpolitik von LEGO (Abschaffung 9V System, nicht AFOL-gerechte Themen, Stellenabbau und Produktionsverlagerung usw.)

Diese Faktoren sind jeder für sich sicherlich sehr ärgerlich und lösen beim LEGO-Fan verständlicherweise keine Begeisterungsstürme aus. Man fragt sich, ob man für so eine Firma durch MOCs auf Ausstellungen und der eigenen Homepage Werbung machen möchte. Das ist aus meiner Sicht berechtigt, reicht aber gleichzeitig nicht dazu aus, eine notwendige Bedingung für eine Bauunlust darzustellen. Ich nehme mal mich als Gegenargument. Ich lass diese externen Faktoren der Firma LEGO nicht so nah an mich ran, finde es zwar nicht toll, arangiere mich (noch) damit. Ich habe auch im sechsten Jahr meines AFOL-Daseins genug Möglichkeiten, mein Geld für das Hobby zu investieren. Auch wenn ich keinerlei Sets mehr kaufe, der Kiloverkauf und diverse BrickLink-Händler dürften mich als guten Kunden in Erinnerung haben. Ich kann also genug "Material" für MOCs beschaffen. Ich kann auch gut damit leben, dass ich trotz aller unklugen Schachzüge von LEGO indirekt Werbung für LEGO mache. So nach dem Motto: "Seht her was man trotz der widrigen Umstände doch noch alles machen kann!"

Interne Faktoren

- Material ist unsortiert und mocen bedeutet zu 70% Sortierarbeit
- Platzmangel, man baut lieber kein MOC, weil man nicht weiß, wo man es hinstellen könnte
- Mangelnde Inspiration. Man weiß nicht was man bauen soll, man geht mit leerem Blick durch die Gassen und über den Bahnsteig. Jedes (Eisenbahn-)Vorbild hat doch schon irgendwer viel besser gebaut, es gibt nichts was man noch bauen könnte, was dann auch noch ein Alleinstellungsmerkmal darstellt. Und wer braucht schon die zwanzigste Version einer E03 oder einer BigBoy-Dampflok?
- Anspruch, man baut kein MOC, da man sich einredet, dass es den eigenen, hohen Ansprüchen nicht mehr gerecht wird und man den Zenit in Sachen Bautechnik bereits überschritten hat. (Man könnte das eine Art "Zidane-Phänomen" nennen)
- Gleichzeitig sieht man aktuelle MOCs (z.B. von Misterzumbi oder mijasper und Co.) und dann sagt man sich: "dieses Niveau kann ich eh nicht erreichen, also lass ich es lieber gleich sein."
- Keine Zeit, da man sich um Beruf, Familie, Weltmeisterschaft oder andere Dinge kümmern muss.
- Allgemeine Unzufriedenheit mit sich selber in der Welt. Die Bauunlust ist nur ein Teilaspekt einer allg. Unlust im Leben.

Einige dieser internen Faktoren kenne auch ich. Wer sich meine Homepage anschaut wird auch feststellen, dass hier lange nichts mehr passiert ist. Venedig war eine echte Herausforderung für das 2. TSL. Beim 3. TSL sollte es noch schöner und größer werden. Und was war, ich habe es gerade mal geschafft ein weiteres Haus in sandblau dazu zu bauen. Auch der Kurzurlaub in Venedig hat nicht dazu geführt, diese MOC zu aktualisieren bzw. zu erweitern. Nachdem ich es zum vierten Mal im Jahr 2005 nach einer öffentlichen Ausstellung abgebaut hatte, hab ich mir gesagt, dass es doch einfacher wäre, alles wieder auseinander zu nehmen. Jetzt denke ich, dass es gut war, dies nicht zu tun. Venedig steht in Kisten verpackt im Keller und wurde diese Jahr noch keines Bilckes gewürdigt. Für mich ist das Ok, irgendwann kommt vielleicht wieder der Gedanke, diese ABS Wasserstadt mal wieder aufzubauen oder umzubauen.

Relativ inspirationslos habe ich dann auch das letzte Jahr verbracht, das einzige MOC war die alte Stuttgarter Straßenbahn "Linie 15". Allerdings wurde diese nie ganz fertig, weil immer noch die Aufkleber fehlen. Aber eine kurze Dienstreise in eine deutsche Landeshauptstadt hat dann im März 2006 wieder das Baufieber ausgelöst und ich hoffe stark, dieses MOC bis zum TSL fertig zu bekommen. Also von Bauunlust kann bei mir gerade keine Rede sein. Ich hab mich auch gefragt, ob man seine eigene, hohe Messlatte erreichen und übertrumpfen kann. Ganz subjektiv würde ich jetzt sagen: Ja man kann. Ein vieleckiges Gebäude mit Innenausstattung stellt andere und neue Herausforderungen an die Baukunst als ein rechteckiger BigBoy-Tender oder ein rechteckiger Venedig-Wohnkasten.

... weiter siehe Teil 2


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Jojo
28.06.2006, 16:28

Re: Bauunlust ... ein Analyseversuch (Teil 1)

Hallo!


Ich antworte mal, denn zufällig bin ich ja einer der Ex-Erstliga-Bauer, die sich derzeit mit ihrer Bauunlust wichtigmachen. Ich werde mich auch bemühen, dies meinen letzten Beitrag zu diesem Thema sein zu lassen.

Du hast einige Faktoren benannt, die absolut zutreffen. So etwa:

» - Anspruch, man baut kein MOC, da man sich einredet, dass es den eigenen, hohen Ansprüchen nicht mehr gerecht wird und man den Zenit in Sachen Bautechnik bereits überschritten hat.

In der Tat habe ich im letzten Jahr verschiedene Projekte begonnen, von denen Ihr nie Kenntnis erlangen werdet, weil ich sie nach kurzer Zeit unter- und abbrach. Was ich da zusammengestümpert hatte, war ideenlos, langweilig und in sich nicht stimmig.

Außerdem merkte ich, daß ich immer nach dem einfachsten Lösungsweg suchte, ohne Lust daran zu haben, die gewünschte Form auf kompliziertem Wege herbeizuführen. Ich muß dazusagen, daß ich niemals irgendwas bloß „snotte“, um „halt was zu snotten“; sondern gesnottet wird bei mir, weil es in der jeweiligen Bausituation erforderlich ist. Aber sobald es die Bausituation erfordert hätte, daß ich irgendwelche Tricks anwendete, hatte ich keine Lust mehr, an der Stelle weiterzubauen. Und das ist eigentlich für mich das deutlichste Anzeichen dafür, daß ich an wirklicher Bauunlust leide und nicht bloß aus Trotz gegen die von Dir angeführten externen Faktoren nix mehr baue. Gleichwohl sind, wie Du richtig sagtest, diese externen Faktoren keineswegs förderlich.

» - Gleichzeitig sieht man aktuelle MOCs (z.B. von Misterzumbi oder mijasper und Co.) und dann sagt man sich: "dieses Niveau kann ich eh nicht erreichen, also lass ich es lieber gleich sein."

Auch das ist zutreffend. Wenn ich deren Bauten sehe, dann denke ich mir: Die bauen das, was ich auch bauen könnte, nur bauen sie es besser, als ich es könnte. Also warum soll ich es dann noch bauen?
NaTÜRlich geht es beim Bauen mit Lego nicht darum, irgendwen zu überflügeln oder auf Deibel-komm-raus das beste MOC wo gibt zu bauen. Nach welchen Kriterien sollte man das auch bewerten? Aber ich persönlich habe dennoch den Anspruch, so gut zu bauen, daß es allgemein als originell und hervorragend empfunden werden kann. Wenn andere bauen, was ich bauen könnte, und wenn sie es bereits so gut oder besser bauen als ich, dann brauche ich es nicht mehr zu tun. Denn das wäre ja unoriginell.

Vor allem brauche ich auch nichts zu bauen, was ich selbst schon besser gebaut habe. So baute ich zum Beispiel fürs zweite TSL eine Burg. Diese ist zu Recht nicht als Teil meines Œvres bekannt, denn sie war uninspiriert und lieblos dahingeklatscht. Der Bau hatte mir keine rechte Freude bereitet, da ich mich nach meiner *hüstel* umubelten Burg Falckenstein lediglich noch selbst zitieren konnte, ohne mich zu verbessern. Das war langweilig.

Inzwischen brauche ich überhaupt nicht mehr daran zu denken, eine weitere Burg zu bauen, denn meine Burgen werden nun von anderen gebaut:
http://www.brickshelf.com...n/gallery.cgi?f=187173
Sobald ich das erste Bild sah, welches in diesem BrickShelf-Ordner zu sehen war, wußte ich: Der Knabe ließ sich von mir inspirieren. Und der weitere Baufortschritt bestätigte diese meine Annahme. Für dieses „Work in progress“ (WIP) ließ er sich auf Classic-Castle.com von den dortigen Kindern feiern. Und ich machte mir meine Gedanken: Wenn du zitiert wirst, ohne daß es irgendwem auffällt, daß du zitiert wurdest, dann bist du vielleicht zu alt für diese Scheiße. Du warst stilbildend, aber deine Zeit ist vorüber. Mission erfüllt, andere sollen nun weiterbauen.


» Ist das alles zu viel? Sind wir übersättigt? Will man nicht vielleicht doch lieber ein Nischenmensch sein, der zurückgezogen und etwas skuril zwar biologisch schon erwachsen ist, dennoch aber einen Kindheitstraum als Hobby weiterleben lässt?

Ich mache keinen Hehl daraus, daß ich so empfinde. Ich bin ein elitärer Arsch. Lego war ein originelles Hobby, das man mit wenigen Gleichgesinnten teilte. Ich versteckte dieses Hobby nicht, aber ich legte auch keinen Werth darauf, daß es den allgemein anerkannten Status von Modelleisenbahn oder Fußballspielen erlangte. Nun ist es etwas, über das regelmäßig bei Pro7 berichtet wird. Viele hier mögen ja stolz darauf sein, ich bin es nicht.


» - Allgemeine Unzufriedenheit mit sich selber in der Welt. Die Bauunlust ist nur ein Teilaspekt einer allg. Unlust im Leben.

Zutreffend, aber das geht ja hier niemanden etwas an.


» Ich finde nicht alle Aspekte dieses Verhaltens akzeptabel.

Wenn einer keinen Bock hat, zu bauen, sich einzubringen, einen Internetauftritt zu pflegen und zu bezahlen (!), dann mag man das bedauerlich finden, aber es hat akzeptiert zu werden.


Tschüß
Jojo


Alf
28.06.2006, 18:05

Re: Re: Re: Bauunlust ... ein Analyseversuch (Teil 1)

» Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod. :-)
»
» Gruß
» Ursa

Hallo Ursa,

besten Dank für den grammatikalischen Service - ich wusste doch, dass das Kreuzen des Genitivs mit des Dativs Ablegern nur irgendeinen Spruch, aber nix wirklich sinnvoll germanisches einherbringt :-D

Gruß
Alf


legolaner
28.06.2006, 18:11

Re: Re: Bauunlust ... ein Analyseversuch (Teil 1)

Hallo,

nun ist es nicht meine Art, zu allem und jedem meinen Senf dazuzugeben, aber ich tue es einfach mal, weil ich es tun muss (vorallem, weil JoJo mit einigem tatsächlich Recht hat und ich dies noch ergänzen möchte und weil er einfach ein netter Kerl ist, der mir früher zwar nur im Chat begegnet ist und nie persönlich, aber sei's drum ).

Du nennst einige Dinge, die Teil von einem neuen Umbruch in der Community sind.

» Außerdem merkte ich, daß ich immer nach dem einfachsten Lösungsweg suchte,
» ohne Lust daran zu haben, die gewünschte Form auf kompliziertem Wege
» herbeizuführen.

"Snotten", um des "Snottenswillen" scheint in letzter Zeit wirklich mehr und mehr zu einem Volkssport zu werden (wie hatten wir früher gesucht nach Teilen, mit denen das "Snotten" überhaupt möglich war...) und viele Modelle werden nur noch nach diesem Aspekt begutachten und manchmal wirken sie allerdings dadurch nicht stimmiger. Aber wenn einer exorbitant "snottet", ist das Modell automatisch gut.

» Sobald ich das erste Bild sah, welches in diesem BrickShelf-Ordner zu
» sehen war, wußte ich: Der Knabe ließ sich von mir inspirieren.

Klar kann man sagen, wenn jemand ein Bild ins Internet stellt, dann ist man selber schuld, wenn nachgeklaut ähh nachgebaut wird. Doch auch Bilder von Ausstellungen, von dritten gemacht, tauchen natürlich im Netz auf. Das ist gut, zeigen diese doch anderen, was zu sehen war. Doch mit der Zunahme der Community und Beliebtheit des Hobbies ist eine Selbstkontrolle nicht mehr möglich, es tummeln sich einfach zu viele. Man muss Angst haben, wenn man was ins Netz stellt, dass dies von dritten Personen (und damit meine ich nicht verschworene Gemeinschaft der "echten" 1000Steinler) einfach kopiert und als ihr Werk gefeiert wird. Keine Referenz, kein Zitat. Nichts. Kann man dagegen was machen, ja, natürlich, nichts mehr ins Netz stellen (so wie ich), aber tut dies der Community auch wirklich gut....

» Lego war ein originelles Hobby, das man mit wenigen Gleichgesinnten
» teilte. Viele hier mögen ja stolz darauf sein, ich bin es
» nicht.

...es ist eben nicht mehr originell, vor allem, weil "Hinz und Kunz" nachbauen, was andere vorgebaut haben und ihre Kreativität feiern lassen. Auch ich vermisse die Zeit, als 1000Steine ein Geheimtipp war, als hier eine gewisse Gemeinschaft, die sich eben Gemeinschaft nennen konnte, sich gebildet hat und es eben keine "Community" war. Irgendwie sind es eben zu viele geworden. Und mit denen ging auch ein gewisser Anstand, ein gewisses Miteinander. (Nicht nur) 1000Steine ist gewachsen, wurde ein großer Staat mit vielen Gesichtern, aber die Familie ist auf der Strecke geblieben. Und auch wenn manche meinen Standpunkt bereits kennen: Mit dem Wachsen hat leider auch die Kommerzialisierung Einzug erhalten, der Gedanke, schnelles Geld mit Lego zu machen, so dass selbst Minderjährige ihr Glück versuchen.

Du gute alte Zeit, ich weine um dich.

Liebe Grüße,
Legolaner


Alf
28.06.2006, 18:21

Re: Re: Bauunlust ... ein Analyseversuch (Teil 1)

» Wenn einer keinen Bock hat, zu bauen, sich einzubringen, einen
» Internetauftritt zu pflegen und zu bezahlen (!), dann mag man das
» bedauerlich finden, aber es hat akzeptiert zu werden.
»
»
» Tschüß
» Jojo

Hallo Jojo!

Recht hast Du wohl, aber es sollte nicht ungesagt bleiben, dass einige dazu neigen, mit so manchem sarkastischen Kommentar mehr oder wenig missliche Stimmung zu verbreiten - Saure-Gurken-Zeit hin oder her.

Nichts desto trotz bekommst Du von mir jetzt einen extra dicken

PUNKT

weil Du Dich diesmal wirklich kritisch mit diesem Thema auseinander setzt und dementsprechend äußerst. :-D

Du musst ja nichts bauen - solange Du Dich an (für Dich) interessanten Themen beteiligst (hin und wieder gerne auch mal sarkastisch) oder selbst ein paar Anekdoten in den (Chat-) Raum wirfst, bist Du doch wie so viele andere hier eine enorme Bereicherung dieses Forums.

Viele Grüße
Alf


grubaluk
28.06.2006, 18:26

Re: Re: Bauunlust ... ein Analyseversuch (Teil 1)

Da würd ich auch gern mal an der Diskussion teilnehmen.

» Lego war ein originelles Hobby, das man mit wenigen Gleichgesinnten
» teilte. Ich versteckte dieses Hobby nicht, aber ich legte auch keinen Werth
» darauf, daß es den allgemein anerkannten Status von Modelleisenbahn
» oder Fußballspielen erlangte. Nun ist es etwas, über das regelmäßig
» bei Pro7 berichtet wird. Viele hier mögen ja stolz darauf sein, ich bin es
» nicht.

Lego ist für AFOLs häufig erst einmal nur ein Medium. Entfernt so, wie es ein
Musikinstrument, eine Kamera, die Schrift und Pinsel und Papier ist. Man
lernt als Kind die Struktur zu verstehen und hat dann die Möglichkeit, sich
damit auszudrücken, sei es zu künstlerischen Zwecken, zum Modellbau oder
sonst wozu.
Dabei erleben wir Lego als Medium in seiner Geburtsphase (ohne das wir wissen, wie
lange das noch so geht). Da ist ein Medium meist an sich schon originell. Als
die Bilder laufen lernten, reichte ein einfahrender Zug (sic!) oder zwei sich
kloppende Kängeruhs, um die Menschen mit staunenden Augen vor die Leinwand
zu treiben.
Heute ist zwischen Urlaubsvideo, Breitwand-Weltraumfeuer und finnischem
Problemfilm alles möglich. Das Medium an sich hat seine Originalität
verloren und wird manchmal sogar recht manieriert. Aber einmalige Filme wird
man wohl immer noch drehen können (oder einmalige Bilder malen, Songs spielen,...) - das
Spektakuläre der Anfangsphase hilft einem aber nicht mehr.

So kann man auch beim Bauen mit Lego seine Originalität wahren. Wenn man das
denn möchte - manchem reicht es ja, dass sich etwas bewegt und im Kreis fährt :-|.

Das ist natürlich auch in Ordnung.

Viele Grüße
Andreas


HoMa
28.06.2006, 18:31

Re: Re: Re: Bauunlust ... ein Analyseversuch (Teil 1)

Hallo,

erkenne ich hier sogar eine Paradoxie?

Einerseits will der AFOL eine so exotische Art sein, dass weder Pro7 dafür eine Aufnahmetaste drückt noch irgendein gleichgesinnter nur den Hauch einer Chance hat, sich inspirieren zu lassen und man lieber im verborgenen moct und nicht mal dem Postboten seine Werke zeigt.

Andererseits - viel mehr gleichzeitig - hat der AFOL das Bedürfnis Teil einer kleinen, eingeschworenen Gemeinschaft zu sein, die sich ständig selber huldigt und sich vor der Welt verschließt. Vor allem geht es ihm um den - nicht ausgesprochenen - Wettkampf gegen den inneren Schweinehund und die wenigen anderen wer das beste, meistgesnotteste MOC baut. Dazu braucht er die Gemeinschaft, die Bilder im Netz, die Treffen.

Wie das bei Paradoxien nun mal so ist, geht beides gleichzeitig eben nicht. Man könnte es einen Schmarotzer nennen, der aus beiden Seiten das jeweils beste für sich herauszieht ohne selber etwas zurück zu geben. Und so geht dann die Gemeinschaft zu Grunde.

Aber hier passiert ja was anderes. Es werden nicht weniger, es werden mehr. Mehr Fans, mehr Ressourcen zum Recherchieren, zum Präsentieren, zum Einkaufen ... und das passt jemanden mit traditioneller bzw. konservativer Denkweise eben nicht so gut in den Kram. So jemand kann das nur ändern, wenn er sich in sein Schneckenhaus verkricht und sich ein neues, noch exklusiveres Hobby sucht. Die Community - wenn Du das neue so nennen willst - kann damit sicherlich gut überleben. Ob der einzelne damit glücklich wird, wage ich zu beweifeln.

Ich bleib dabei, was hier für jeden einzelnen und für die Gruppe als ganzes passiert ist ein Spiegelbild der Gesellschaft im Kleinen. In Zeiten der Individualisieurng und Pluralisierung der Lebenslagen ist tatsächlich jeder sein eigener Herr (bzw. seine Dame). Es liegt an einem selber, wie man die Dinge wahrnimmt, bewertet und sein Handeln danach ausrichtet.

1000grüße
HoMa


ratz
28.06.2006, 20:58

um den medientheoretischen faden etwas weiterzuspinnen...

... auch wenn es evtl. keinen interessiert :

interessanterweise wechselt grubaluk in seinem argument das medium: vom klassischen

» Musikinstrument, eine[r] Kamera, [der] Schrift und Pinsel und Papier

kommt er ziemlich schnell zu

» Urlaubsvideo, Breitwand-Weltraumfeuer und finnischem Problemfilm.

- und zwar nicht zufällig. erstgenannte medien symbolisieren die klassischen künstlerischen ausdrucksmittel, bei denen - stark vereinfacht - vermittels der hand des künstlers seine individualität unverwechselbar in das werk mit einfliesst.
letzteres medium aber gehört zu den modernen massenmedien (d.h. photo, film, digitales gedöns), deren vornehmliche eigenschaft der technischen reproduzierbarkeit jegliche auratische qualität ausschliesst. dies ist nicht unbedingt als negativ anzusehen, sondern diesen medien jeweils spezifisch. ein film, ein photo, ein computerprogramm sind unendlich technisch reproduzierbar und basieren auf industriell verfertigter "hardware" und verarbeitung.

legosteine weisen nun gerade diese qualität der unendlichen, industriell produzierten verfügbarkeit und reproduzierbarkeit auf: jeder stein ist überall auf der welt formal standardisiert, in massen verfügbar, universell kombinierbar. jede kombination kann beliebig vervielfältigt und in ihre bestandteile zurückatomisiert werden, man landet beim immer gleichen ausgangsstoff.
im gegenzug verweisen die produkte imer auf diese eigenschaft der reproduzierbarkeit: alles ist nachbaubar, erweiterbar, veränderbar, austauschbar. einen individuellen anstrich gibt es lediglich in der, wie grubaluk schrieb, geburtsphase des mediums, wo neue ideen für kurze zeit einen urheber beanspruchen können, bevor sie ins allgemeingut übergehen (wie lange wird man sich auf den hitchcock-zoom als solchen beziehen? wer weiss schon noch den ersten photographen des in milch fallenden tropfens, wer kennt/interessiert sich für den urheber der basic-programmiersprache usw.).
darin sehe ich die crux des legosteins, der ein entindividualisierter baustein mit den besagten eigenschaften ist, damit auratische schöpfungen nicht zulässt, zugleich jedoch sein potential erst in der massenhaften anwendung und weiterentwicklung auf einer anderen ebene als der der individuellen kreation erst entfalten muss.

ob das jemals der fall sein kann/wird, wird sich erst dann zeigen, wenn der bisher gehaltene standard (z.b. mit noppen versehene, in massen produzierte und distribuierte steine) mittel- bis langfristig durchgehalten wird, um dem medium legostein die möglichkeit der entfaltung zu bieten, wie sie photographie und film (übrigens trotz ständiger veränderung der jeweiligen standards!) seit etwa 100 jahren haben.

naja, so weit so schlecht in einem zuge hingeschrieben. wer rausfindet, woher ich das alles geklaut und 'umgebaut' habe, kriegt eine walter-benjamin-gedenk-minifigur gespendet... äh, ups :-D na seis drum.

cu, r.


jens
28.06.2006, 21:10

Lieber Herr Jojo,

ich mag elitäre Ärsche.

Gruß,
jens


ApophisV
28.06.2006, 21:22

Re: um den medientheoretischen faden etwas weiterzuspinnen...

Hi!

» ... auch wenn es evtl. keinen interessiert :
Doch, mich!!!

Ich muss sagen: Dieser Beitrag ist das wohl schärfste Posting, welches ich die letzten Jahre in einem LEGO-Forum lesen durfte! :-)

Ernsthaft, ich glaube sogar mein ehemaliger Philo-Lehrer wäre beeindruckt!

Daher kann ich Dir zu allem wirklich nur zustimmen, auch wenn ich selbst niemals zu solchen Einsichten gekommen wäre! :-D (Meine Abi-Zeugnis Note in Philo bestätigt diese Aussage übrigens *schäm*)

Viele Grüße,

Daniel


grubaluk
28.06.2006, 21:33

Re: um den medientheoretischen faden etwas weiterzuspinnen...

» naja, so weit so schlecht in einem zuge hingeschrieben. wer rausfindet,
» woher ich das alles geklaut und 'umgebaut' habe, kriegt eine
» walter-benjamin-gedenk-minifigur gespendet... äh, ups :-D na seis drum.

öhhh..."Der Legostein im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit"?


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