Zechstein
09.08.2015, 10:54

Warum Fleischmann scheitert - und Lego floriert

Interessante Hintergründe anlässlich der Fleischmann-Insolvenz. Schön zu lesen, dass L gut wegkommt. Es hätte aber auch anders kommen können, Jungejunge!



stonetown
09.08.2015, 13:18

Als Antwort auf den Beitrag von Zechstein

+1Re: Warum Fleischmann scheitert - und Lego floriert

Ich persönlich, als bekennender Modellbahner, der mit der Sachlage durchaus vertraut ist, finde den Bericht, etwas, naja, armselig geschrieben. Zum Beispiel folgendes:

Unternehmen wie Simba Dickie haben das erkannt und sind zu wahren Markensammlern geworden - unter ihrem Dach sammeln sich unter anderem Bobbycar und die Schuco-Autos. Gabriela Kaiser arbeitet als Trendscout für die Nürnberger Spielwarenmesse und findet, dass Fleischmann "buchstäblich in seiner Schiene hängen geblieben" sei. Modellbauhersteller müssten sich wie alle Spielwarenfirmen gut überlegen, ob sie nur an einem einzigen Produkt festhalten. Sie empfiehlt, Altbewährtes mit Neuem zu verknüpfen.

Es gibt genug Gegenbeispiele von Firmen, die ihrem Produkt treu geblieben sind und damit Erfolg haben, so zum Bespiel Herpa oder auch SIKU (wo Wiking dazugehört), da hat man über die Jahre natürlich auch expandiert, aber nur im eigenen "Bereich" und nicht irgendwas völlig neues gemacht. Und auch TLG stellt ja nur "ein" Produkt her, gut, das wird natürlich kombiniert mit moderner Technik, wie elektronischen Spielen. Aber machen das Märklin mit ihrer "Spielewelt" oder Roco/Fleischmann mit ihrer Z21 nicht auch?
Und sämtliche Versuche Märklins "Spielzeug" zu produzieren, welches stellenweise gar nichts mehr mit Modellbahn zu tun hatte, sind ja kläglich gescheitert.

Im Endeffekt gibt es nicht´s daran zu leugnen, dass im Bereich Modellbahn einfach der Nachwuchs fehlt, was alleine die Firmen aber noch nicht in die Pleite treibt. Aber wenn dann diese, im Vergleich zu TLG oder Mattel, kleinen Firmen auch nur etwas unvorsichtig sind, tappen sie schnell in die Falle von Banken oder Spekulanten, denen nur das Geld interessiert, aber nicht das Produkt selber. Und genau daran sind sämtliche Modellbahnfirmen bereits zerbrochen.


Und dann haben wir noch dieses hier (Hervorhebung von mir):
Eigene Welten bauten sich Kinder immer noch - und greifen dabei gern auf Hilfsmittel zurück. So seien viele Kinder begeistert von Strategiespielen der Gattung "Tabletop", bei denen man Kunststofffiguren auf einem Feld spielen und kämpfen lässt. "Diese Fantasywelt ist der Welt der Modelleisenbahn gar nicht so unähnlich", findet Kaiser.

Ah ja, genau! *Kopfschüttel* Da kommt mir höchstens noch Märklin Alpha in den Sinn, aber diese Serie war damals ja auch alles andere als ein Erfolg!


Ich bau mir eine LEGO-Stadt, aber wo sollen denn die ganzen Schienen hin?

Gruß
Manuel


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theoden2008
09.08.2015, 16:16

Als Antwort auf den Beitrag von stonetown

Re: Warum Fleischmann scheitert - und Lego floriert

Hi,
bezogen auf den letzten Absatz muss ich als alter Table Top Spieler mal einhaken, allein schon damit dass schmerzhafte Kopfschütteln aufhört. Tabletop ist grundsätzlich dem Modell und Landschaftsbau sehr verbunden, beides spielt ja nunmal bei der Eisenbahn auch eine grosse Rolle. Die Figuren für das Spiel müssen schließlich alle von Hand bemalt werden (mancher Spezi zaubert da echte Kunstwerke auf den Tisch) und wer was auf sich hält bastelt sich auch die Spiellandschaften selbst zusammen. Vielleicht ist da der Vertriebsweg des Marktführers Games Workshop auch mal eine Anregung für die Eisenbahnhersteller. GamesWorkshop betreibt nämlich in seinen Läden kostenlose Kurse in denen die Anfänger nicht nur das Spielen lernen sondern auch intensiv das Bemalen und Basteln.



Xris
10.08.2015, 19:33

Als Antwort auf den Beitrag von theoden2008

Re: Warum Fleischmann scheitert - und Lego floriert

Moin,

Vielleicht ist da der Vertriebsweg des Marktführers Games Workshop auch mal eine Anregung für die Eisenbahnhersteller. GamesWorkshop betreibt nämlich in seinen Läden kostenlose Kurse in denen die Anfänger nicht nur das Spielen lernen sondern auch intensiv das Bemalen und Basteln.


Der Markt für Modelleisenbahnen und Zubehör ist grundsätzlich anders strukturiert als der für Tabletop/Cosims. GamesWorkshop hat für seine Produkte vertikale Vertriebsstrukturen etabliert, beginnend mit eigenen Filialen, in denen die eigenen Produkte geschickt im Markt plaziert werden - zu Konditionen, die Mitbewerber beiderlei Art nicht bieten können. In Großbritannien hatte dieses aggressive Vorgehen zur Folge, dass weite Teile des "freien" Handels für Strategie-, Fantasie- und Rollenspiele kollabierten.

Die Frage wäre jetzt, ob die Modellbau-Kundschaft dies mitmachen würde - oder ob sie dem "etablierten" Fachhandel vor Ort (heute natürlich allesamt mit E-Commerce-Ablegern) die Stange halten.
Letzendlich tun Monopole weder dem Produkt, noch den Kunden gut. Modellbahner wissen dies aus jahrzehntelanger Erfahrung ziemlich gut.


Xris



bernd-das-brot
10.08.2015, 21:41

Als Antwort auf den Beitrag von Xris

+1Re: Warum Fleischmann scheitert - und Lego floriert

Wenn man auf Modellbahnmessen mal alle Silberlocken (Rentner und kurz vor der Rente stehende) von der Besuchermasse subtrahiert, ist in spätestens 20 Jahren Schluss mit dem Modellbahnmarkt. Das Hauptproblem sind, meiner Meinung nach, die Preise für das rollende Matertial. Möchte man einen halbwegs realistischen Zug neu anschaffen, ist man schnell in der Nähe oder sogar bei einem vierstelligen Betrag gelandet. Loks und Waggons sind, zumindest momentan, noch recht preisstabil und daher auch gebraucht noch hochpreisig.

Gleismaterial, vor allem die Weichen, kosten auch ne Stange, wobei man zumindest einfache Gleise gebraucht recht günstig bekommt. Der Klumbatsch drum herum ist auch nicht billig, als richtiger Modellbauer lässt sich davon aber viel günstig selbst herstellen.

Bei den Startersets sieht es auch nicht besser aus: Entweder sind sie teuer oder eindeutig als Spielzeug zu entlarven. Irgendetwas optisch ansehnliches, das einem nicht das Budget der nächsten 2 Jahre aus der Tasche zieht, gibt es nicht.

Die jetzigen Rentner können sich das noch leisten, bei den jüngeren Generationen wird das nicht mehr so der Fall sein. In Zeiten, in denen viele in die Leiharbeit gezwungen werden oder für Minimallöhne ihre Familie durchbringen müssen, beibt jetzt schon wenig bis nichts für ein Hobby übrig und mit einer Rente, mit der man sein Hobby weiter pflegen kann, wird es so auch nichts.

Das andere Spielzeughersteller eher über die Runden kommen, liegt wohl daran, daß "normales" Spielzeug an jeder Ecke zu bekommen ist, aber wann habt ihr das letzte mal eine Modellbahn samt Zubehör beim Discounter gesehen? Spontankäufe fallen damit schon mal weg und so ein eventueller Quereinstieg des Nachwuchs ins Hobby auch. Zudem schauen die einkommensschwächeren Eltern schon darauf, daß ihre Kinder auch viel Spielzeug fürs Geld bekommen. Die Gesichter der Kleinen wären wohl ziemlich lang, wenn nur ein einzelner Waggon unter dem Weihnachtsbaum liegt. Für das gleiche Geld gibts im RC-Bereich komplette Automodelle, Schiffe oder kleine Hubschrauber, die dem Nachwuchs mit Sicherheit ein Lächeln ins Gesicht zaubern, das wollen Eltern sehen.



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Thomas52xxx
10.08.2015, 22:03

Als Antwort auf den Beitrag von bernd-das-brot

Re: Warum Fleischmann scheitert - und Lego floriert

wann habt ihr das letzte mal eine Modellbahn samt Zubehör beim Discounter gesehen?

Zumindest "Müller" hat ein gewisses Modellbahnsortiment.

Ich sehe es als Problem an, dass mit der Verbesserung der Modelle (Detaillierung, Antriebe, ggf. Digitaltechnik) der Preis exorbitant gestiegen ist. Sachen, die ich mir als Schüler von meinem Taschengeld kaufen konnte würde ich mir heute nicht mehr leisten wollen.

Lego hat es da einfacher und hat - in den letzten Jahren verstärkt - auch in der Preisklasse bis 10€ recht nette Sachen im Angebot. (Mixels!)


Gruß
Thomas

mein Blog
meine Eisenbahnräder - mit funktionierendem Download


BricksCorner
10.08.2015, 23:43

Als Antwort auf den Beitrag von Thomas52xxx

Re: Warum Fleischmann scheitert - und Lego floriert

dass mit der Verbesserung der Modelle (Detaillierung, Antriebe, ggf. Digitaltechnik) der Preis exorbitant gestiegen ist.

Man muss aber auch sehen, dass die Ansprüche an die Modelle offenbar deutlich gestiegen sind, gerade hinsichtlich Detailierung und Antrieb. Einen schönen Gegentrend hatte Märklin mit den etwas einfacheren, aber gut detailierten Modellen der BR232 und BR24 geschaffen. Beide Loks waren für unter 150€ erhältlich, weil sie nur eine geringe Digitalausstattung hatten. Die mittlerweile erhältlichen Versionen sind mit digitaler Vollausstattung für rund 250€ zu haben. Bei Märklin kann man aber auch mal 400€ bis 800€ für eine Lok in H0 hinblättern.

Viele Grüße
Christian


[image]


Betreiber einer fiktiven Privatbahn in 1:43 sowie Entwickler und Erbauer von Eisenbahnmodellen in 9W = Maßstab 1:43/passend zur Minifig.

Wir sehen uns am


Xris
11.08.2015, 11:05

Als Antwort auf den Beitrag von BricksCorner

Re: Warum Fleischmann scheitert - und Lego floriert

Hallo,

ich glaube, Modellbahnhersteller haben es nicht leicht: Im Vergleich zum gesamten Spielzeugmarkt ist der Modellbahn-Sektor eine eher kleine Niesche.
In der tummeln sich (noch) relativ viele Anbieter. Leider ist aber die potenzielle Kundschaft alles andere als homogen: Einige wollen "Einsteigermodelle", während die Nietenzähler und Vitrinenmodellsammler maximale Realitätstreue fordern. Gleichzeitig wollen "Betriebsbahner" allen möglichen Schnickschnack: Digitalsteuerung, automatischem Entkupplern, Rauch-/Dampfgeneratoren, Soundmodule und und und...

Unter diesen Voraussetzungen sind allein schon die Konstruktionskosten und das Tooling extrem hoch. Zudem sind bei den doch recht geringen Auflagen zahlreiche Fertigungsschritte noch in Handarbeit (!) auszuführen.

Und dann soll man Neukunden mit innovativen Produkten erreichen und gleichzeitig die Stammkunden nicht vergraulen? Da stößt man schnell an seine Grenzen.

Da hat es ein Modularsystem wie LEGO doch recht einfach - das Risiko für jedes einzelne neue Produkt ist weitaus geringer. Tooling- und Produktionskosten erscheinen einem da geradezu niedrig.

Christian



BricksCorner
11.08.2015, 21:11

Als Antwort auf den Beitrag von Xris

Re: Warum Fleischmann scheitert - und Lego floriert

Leider ist aber die potenzielle Kundschaft alles andere als homogen: Einige wollen "Einsteigermodelle", während die Nietenzähler und Vitrinenmodellsammler maximale Realitätstreue fordern. Gleichzeitig wollen "Betriebsbahner" allen möglichen Schnickschnack: Digitalsteuerung, automatischem Entkupplern, Rauch-/Dampfgeneratoren, Soundmodule und und und...

Da hast du absolut Recht. Eine Lösung für diesen Zielkonflikt habe ich bei den US-Herstellern für Modellbahnen gesehen. Diese bieten das gleiche Lokmodell (also identisches Vorbild = Lackierung & Beschriftung ist gleich) mit 2-3 unterschiedlichen Ausstattungen an: eine Basisausstattung als reine Gleichstromlok, dann mit einem einfachen Digitaldekoder und zu guter Letzt mit Sounddekoder. Allerdings ist auch hier die Digitalisierung auf dem Vormarsch und somit werden immer seltener die reinen DC-Loks angeboten.

Da hat es ein Modularsystem wie LEGO doch recht einfach - das Risiko für jedes einzelne neue Produkt ist weitaus geringer. Tooling- und Produktionskosten erscheinen einem da geradezu niedrig.

Absolut richtig. Und man kann deutlich einfacher die Kunden bedienen, die sich den Bausatz selbst zusammenstellen wollen und nur die Einzelteile brauchen.

Viele Grüße
Christian


[image]


Betreiber einer fiktiven Privatbahn in 1:43 sowie Entwickler und Erbauer von Eisenbahnmodellen in 9W = Maßstab 1:43/passend zur Minifig.

Wir sehen uns am


bernd-das-brot
12.08.2015, 10:29

Als Antwort auf den Beitrag von BricksCorner

+1Re: Warum Fleischmann scheitert - und Lego floriert

Das alles bringt aber nichts, wenn keine Kundenbasis vorhanden ist oder die Hersteller sich zu sehr auf den gut betuchten, am Besten noch Nietenzählenden Kunden und deren Luxuswünsche konzentrieren. Diese Basis bröckelt und wenn kein Nachwuchs gewonnen wird, ist es bald vorbei. Die Meisten können sich ein so teures Hobby nicht leisten oder es fehlen die notwendigen Platzverhältnisse, die man auch nicht vergessen darf.



schobi gefällt das


Xris
12.08.2015, 11:26

Als Antwort auf den Beitrag von bernd-das-brot

Re: Warum Fleischmann scheitert - und Lego floriert

Hallo,

Das alles bringt aber nichts, wenn keine Kundenbasis vorhanden ist oder die Hersteller sich zu sehr auf den gut betuchten, am Besten noch Nietenzählenden Kunden und deren Luxuswünsche konzentrieren. Diese Basis bröckelt und wenn kein Nachwuchs gewonnen wird, ist es bald vorbei. Die Meisten können sich ein so teures Hobby nicht leisten oder es fehlen die notwendigen Platzverhältnisse, die man auch nicht vergessen darf.


und die allseits geforderte Mobilität (=Umzüge) und zeitliche Flexibilität (=Ausweitung der Schul- und Arbeitszeiten) tun da ihr übriges.

Ein weiterer Grund ist wohl die breite Einführung von Computern und Computerspielen seit Ende der 80er: Seit dem lassen sich zahlreiche Aspekte der meisten traditionellen Hobbies "virtuell", d.h. nahezu ohne Voraussetzungen, preiswert, mit raschem Einstellen von Erfolgserlebnissen und praktisch ohne Platzanforderungen erledigen. Das merken alle betroffenen Hobbybranchen mehr oder weniger.

Ich lese gerade alte Zeitschriftenjahrgänge (MIBA - Miniaturbahnen) und bin gerade in den 90ern. Da wird bereits heftig über Nachwuchsmangel geklagt. Wenn ich in die 80er oder 70er vordringe, wird es bestimmt nicht viel anders sein.

Gruß

Christian