Sheriff von Snottingham
12.04.2011, 16:53

+2Olle Kamellen, Teil 2

Guten Tag,

heute möchte ich ein Gebäude vorstellen, das ich schon beim TSL 2010 zeigte. Es handelt sich wieder um ein Hamburger Etagenhaus im Stil des Historismus, das diesmal ein reales Vorbild hat. Erbaut wurde es 1878/79 von J.F.M.Grojan, der später auch am Bau des Hamburger Rathauses beteiligt war, und es steht heute am Jungfernstieg 50. Leider sind die beiden unteren Geschosse und das Dachgeschoß nicht mehr im Originalzustand erhalten; deshalb zog ich einen Fassadenriß von 1878 zum Nachbau hinzu:

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Das Haus hat mich zum Nachbau gereizt, weil es in jeder Etage unterschiedliche Fenster zu bauen gab; da konnte ich nach Herzenslust rumsnotten. Außerdem bot es sich an, weil die Proportionen es zuließen, das Haus vorbildgetreu in 32 Noppen Breite zu bauen (CC-Raster).
Während des Zweiten Weltkrieges diente die Buchhandlung als Treffpunkt für verschiedene Aktivitäten von Gegnern des NS-Regimes; unter anderem wurden von hier aus Flugblätter der Münchner "Weißen Rose" verbreitet.

Weitere Bilder gibt es hier.


Tschüs, Christian


Wen es interessiert, hier noch etwas trockene Hintergrundinfo zum Vorbildgebäude selbst:
Das Grundstück, damals am Gänsemarkt 61 gelegen, war extrem schmal und sollte mit einem sechsgeschossigen Gebäude bebaut werden. Damals war in Hamburg das Drei-Zonen-Schema üblich, das hier in gequaderter Sockelzone (Ladengeschoß und 1. Etage), Hauptzone mit Ziegelverblendung und plastischem Zementputz an den Fenstern (2., 3. und 4. Etage) und Obergeschoß (5. Etage) zur Ausführung kam:

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Innerhalb der zweigeschossigen Sockelzone (von der heute nur noch die beiden Pfeiler am Eingangsbereich übrig sind; die 1. Etage wurde komplett umgestaltet) vollzieht sich der Wechsel von drei- zur vierachsigen Gliederung, die dann für alle weiteren Etagen gültig bleibt. Die Rundbogenfenster der 1. und 5. Etage klammern die Hauptzone ein und stellen den Bezug zu Sockel und oberem Fassadenabschluß her. In der Hauptzone werden die Fensterverdachungen im Rahmen der klassischen Vorbilder variiert, jedoch die Seitenverblendungen nehmen von Etage zu Etage an Volumen ab, so daß das Ziegelmauerwerk nach oben hin zunehmend in Erscheinung tritt.
In der 5. Etage ist der Zementputz so reduziert, daß das plastisch stark durchgeformte Konsolengesims hervortreten kann.

[Weite Textauszüge und das Bild des Fassadenrisses von 1878 sind dem Buch "Das Hamburger Etagenhaus 1870-1914" von Peter Wiek, Edition Temmen 2002, entnommen. Will ja nicht in den Verdacht des Abguttens kommen...]


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