Thekla
21.06.2010, 23:54

Die Villa Marlier

Hallo,

hier nun ein paar Bilder der Villa Marlier:

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Bild=Link

Wer sich nicht für die Historie des Hauses interessiert überliest ganz einfach den kursiven Text und kann hier die Kurzfassung lesen.



WENN HÄUSER ERZÄHLEN KÖNNTEN…. Berlin Wannsee, 1914

Ich werde 1914 von dem Kaufmann und „königlichen Geheimrat“ Ernst Marlier durch den Architekten Paul Baumgarten auf einem 30500 qm großen Grundstück am Wannsee, am Rande der Kolonie Alsen, errichtet. Ich habe 1500 qm Wohnfläche, von meiner Gartenseite aus hat man einen herrlichen Blick über den Wannsee. Mein erster Besitzer legt großen Wert darauf, dass mein repräsentatives Erdgeschoss die Türen in einer Flucht hat, auf der einen Seite geprägt durch eine Bibliothek mit rundem Erker, auf der anderen Seite durch einen großzügigen Wintergarten. Meine Inneneinrichtung ist mit Täfelungen, Marmorsäulen und erlesenen Möbeln vom feinsten!
Der Herr Marlier führt ein recht eigenartiges Leben, so verdient er sein Geld u.a. mit dem Verkauf dubioser Schlankheitsmittelchen, wird wegen Körperverletzung, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Hausfriedensbruch verurteilt, und so lässt sich seine Frau 1922 von ihm scheiden!

1921 verkauft er mich an Herrn Friedrich Minoux. Dieser führt ein noch eigenartigeres Leben! Er gründet unzählige Firmen und Scheinfirmen, landet ebenfalls mehrmals im Gefängnis und fühlt sich schon sehr früh zum aufkommenden Nationalsozialismus hingezogen. Aus der Untersuchungshaft heraus verkauft Minoux mich 1940 an die Stiftung „Nordhav“ und ich werde ein Erholungsheim für nationalsozialistische Eliten, und deren Gästehaus.

Der 20. Januar 1942 ist der absolute Tiefpunkt in meinem Dasein, in meinen Räumen findet die „Wannsee-Konferenz“ statt.

1943 werde ich an das Deutsche Reich verkauft und diene als Erholungsheim der Polizei, Zwangsarbeiter müssen in meinem Garten Kartoffeln pflanzen.
1944 werden hier einige der Attentäter vom 20 Juli verhört.

1945 ist der Spuk vorbei. An die Zeit der Nachkriegswirren kann ich mich nur noch schlecht erinnern, so sollen hier sowjetische Marinesoldaten gehaust haben, jüdische Kinder wieder aufgepäppelt und elternlose Jugendliche betreut worden sein.
1946 gehe ich den Besitz des Magistrats von Groß-Berlin über, werde an die SPD verpachtet.



1947 brennt ein Teil von mir, über den zugefrorenen Wannsee trampelt jeder in meine Räume. Es ist eine chaotische Zeit! Im gleichen Jahr zieht die SPD-nahe Stiftung „August-Bebel-Institut“ ein und macht mich zu ihrer Bildungsstätte mit angeschlossener Bibliothek.
1952, meine oberen Räume sind durch Wasserschäden arg ramponiert, werde ich an das Bezirksamt Neukölln verpachtet und werde ein Schullandheim für Berliner Kinder. Ist hier was los, bis zu 100 Kinder toben durch mich und erholen sich vom Elend ihrer Hinterhöfe!
Wassersportvereine wollen in meinen, inzwischen als Naturdenkmal eingetragenen, Park, die Polizei will, wieder einmal, ein Erholungsheim einrichten. Bürgermeister Albertz macht dem Gerangel 1966 ein Ende, erklärt meinen Park als unteilbar!
1966 fordert der Bundestagspräsident Gerstenmaier während eines Israel-Besuchs meinen Abriss, wiederum Bürgermeister Albertz lehnt dies kategorisch ab. Ich bin gerettet!
Mitte der 60er Jahre will der Auschwitzüberlebende Joseph Wulf als Mitbegründer des „Internationalen Dokumentationscenters zur Erforschung des Nationalsozialismus und dessen Folgeerscheinungen“ eben jenes Dokumentationszentrum in meinen Räumen aufbauen. Bürgermeister Klaus Schütz und der Berliner Senat aber wollen kein „makaberes Denkmal“.
1987 ist es dann soweit, das Grundstück und ich gehen in den Besitz des Landes Berlin über und Bürgermeister Eberhard Diepgen gibt die Absicht bekannt, mich in eine Gedenkstätte umzuwidmen. Das Schullandheim zieht nach Schwanenwerder.
1992 wird die Gedenkstätte in meinen Räumen feierlich eröffnet, mein Garten wird nach alten Plänen um- und rückgestaltet.

Seitdem haben sich unzählige Besucher in meinen Sälen informiert, sich am Garten erfreut, sich in der im Gartenhaus eingerichteten Cafeteria ausgeruht.
Und ich genieße nach einem bewegten Dasein meine wohlverdiente Ruhe.

Villa Marlier, Am großen Wannsee 56/58

Quelle: Das Haus der Wannsee-Konferenz, Michael Haupt


Viel Spaß beim Betrachten!

Gruß
Thekla


UncleTom
22.06.2010, 09:01

Re: Die Villa Marlier

Hallo Thekla,

beeindruckendes Gebäude - und danke auch für den historischen Abriss, den ich nicht mal im Groben kannte. Hab mir auch nie Gedanken um das Gebäude der Wannsee-Konferenz gemacht, obwohl ich erst kürzlich "Conspiracy (2001)" gesehen habe.

Mir war auch nicht bewusst, wie viele verschiedene Teile es in sandgrün gibt Bei den Details haben mir vor allem die weiße Parkbank und der Oldtimer gefallen. Einzig bei den Fenstern im 1.OG fänd ich statt der 1x1-Steine in der Mitte der Fenster dieselbe Bauweise wie im EG besser. Dadurch kommen die Fensterflügel besser raus und die Mitte wirkt dank des feinen Spalts nicht so dominant. Ach ja, die Figuren passen hervorragend in die 20-er!

Mit welchen Teilen hast Du bei Bild 5111 den oberen Teil der Balkonbrüstung gebaut? :confused:

Chut goahn,
Thomas


Andi
22.06.2010, 11:28

Re: Die Villa Marlier

Hallo Thekla,
die Villa ist wirklich sehr beeindruckend und sehr schön gebaut!
Danke auch für das Historische.

Hast du lang dafür gebraucht, sie zu bauen? Und wo hast du all diese sandgrünen Steine her?

:-)

Andi


BigBoy
22.06.2010, 17:29

Re: Die Villa Marlier

Hallo Thekla,

nicht nur, daß mir die Villa sehr gut gefallen hat, auch dein Geschichtsunterricht war sehr interessant. Jetzt weiß man wieder etwas mehr.

Viele Grüße
Edda


BoB
22.06.2010, 20:22

Re: Die Villa Marlier

Hi


Ich finde die Vila sehr gelungen.

Unabhängig davon in welcher Farbe sie gebaut wurde, ist sie nicht nur bauttechnisch Erste Sahne. Auch die Rundumgestaltung, hier insbesondere die selbst kreeirten Figuren, ist klasse.

Tatsächlich muss ich gestehen das mir die zusätzliche Szene, mit dem "altgrauen" Legostein der zu Grabe getragen wurde, im Zusammenhang mit der Historie der Villa beim ersten Betrachten aufgestossen (Prost!) ist.

Allerdings habe ich mir gesagt das man grundsätzlich Viel in alles Mögliche reininterprätieren kann. Von daher...Ne runde Sache, das Ganze!!!


Monteur
22.06.2010, 23:12

Re: Die Villa Marlier

Hallo Thekla,

Mal wieder ein sehr schönes und Geschichtsträchtiges MOC von dir.
Irgendwann müßtest du ja alle Interessanten Bauten in Berlin aus LEGO
nach gebaut haben.
Was kommt dann von dir ?

Gruß
Michael
Der jedesmal neidisch wird, wenn er deine Sandgrünen Bestände sieht.


jjinspace
23.06.2010, 00:43

Re: Die Villa Marlier

» Tatsächlich muss ich gestehen das mir die zusätzliche Szene, mit dem
» "altgrauen" Legostein der zu Grabe getragen wurde, im Zusammenhang mit der
» Historie der Villa beim ersten Betrachten aufgestossen (Prost!) ist.
Die Grabszene ist mittlerweile ein "Running Gag" bei Theklas Modellen.
Obwohl ihr dabei sicher gar nicht zum Lachen ist...

Gruß von J. J.,
der das Altdunkelgrau gar nicht mehr aushält, weil es so eklig bräunlich ist.
(Wegduck)


jjinspace
23.06.2010, 00:53

Re: Die Villa Marlier

Schwer beeindruckt ich bin, Madame!
Überwältigende Wirkung.
Die Fenster und Türen sind mal wieder ein Lehrstück in Sachen Bautechnik.
Ein schönes Detail am Rande finde ich die Rosen(?)-stöcke mit den roten Diamanten. Und die ganzen anderen Topfpflanzen.

Und natürlich die (fast) sandgrüne Tischdecke!

(Pott)Hut ab!

Da J. J. aus Berlin


McBricker
23.06.2010, 09:44

Re: Die Villa Marlier

Hallo Thekla,

die Präsentation der Bewohner ließ ja schon Vielversprechendes vermuten. Und das hält Dein Moc sicher. Verglichen mit den Photos, die ich im Internet fand, ist diese Villa wirkich ein sehr gelungener Nachbau! Sehr schön!

Viele Grüße
Barbara

P.S.: Bloß die Bilder bei BS dürften einen Tick kleiner sein, ich habe nicht alle betrachtet, da das Laden sehr lange dauert.


schaeng
23.06.2010, 12:15

Re: Die Villa Marlier (aus Theklas sandgrüner Periode)

Hallo Thekla,

» Wer sich nicht für die Historie des Hauses interessiert

... hat eigentlich den Sinn Deines MOCs nicht verstanden.
Es hat erst jetzt (nachdem ich "Wannsee" las) bei mir "klick" gemacht,
obwohl ich vor einigen Wochen den Film über die Wannseekonferenz (leider nur unvollständig) sah.
Der wichtige historische Hintergrund dieses Gebäudes kommt in Deinem Brickshelf-Ordner kaum hervor,
deshalb wird es für viele nur eine "große, sandgrüne Villa eines reichen Mannes" sein.
Ich würde deshalb diesen Link mit Hintergrundinfos noch hinzufügen.

Ansonsten - Deine Villa Marlier ist, wie vorher schon der Anhalter Bahnhof, einfach nur klasse.
Was kommt als nächstes - der Reichstag?


Gruß
Hans


Thekla
23.06.2010, 19:44

Re: Die Villa Marlier

Hallo,

Vielen Dank für Lob und Anregungen!

@Uncle Tom: Mit den Fenstern magst du Recht haben, aber nachdem ich die ganzen Fenster im Erdgeschoss gebaut hatte, war es mir zu langweilig nochmal das gleiche zu bauen
Bei den Teilen handelt es sich um Beine der Dementoren (Harry Potter).

@Andi:

>>Hast du lang dafür gebraucht, sie zu bauen? Und wo hast du all diese >>sandgrünen Steine her?

Diese Fragen habe ich beim TSL gefühlte 2745 Mal beantwortet. Als Beispiel: Beim TSL kam jemand auf mich zu und bot mir einen Schuhkarton voll sandgrün an. Du siehst, das Zeuchs kommt von allein zu mir...

@ Monteur

>>Was kommt dann von dir ?

Mein Traum wäre mal die Museumsinsel...Schaun mer mal...

@ McBricker

>>P.S.: Bloß die Bilder bei BS dürften einen Tick kleiner sein, ich habe nicht alle betrachtet, da das Laden sehr lange dauert.

Das Schlimme ist, du hast Recht, noch schlimmmmmmererer ist, dass ich das weiß. Ich steh mit BS etwas auf Kriegsfuß, aber ich arbeite dran!

@ Schaeng

>>Der wichtige historische Hintergrund dieses Gebäudes kommt in Deinem Brickshelf-Ordner kaum hervor,
deshalb wird es für viele nur eine "große, sandgrüne Villa eines reichen Mannes" sein.
Ich würde deshalb diesen Link mit Hintergrundinfos noch hinzufügen.

Es war, von Anfang an, nicht meine Intention mit dem historisch, pädagogischen Zeigefinger rumzulaufen. Ich habe gebaut und wollte bewusst mal abwarten, was für Reaktionen kommen.
Auf dem TSL hat eine Mutter ihren völlig überforderten Kindern versucht, die Zusammenhänge zu erklären, ein Franzose sprach mich an, wie ich denn auf "so ein merkwürdiges Thema" käme.
Ich finde das alles einfach nur interessant, aber ich muss nicht die Welt belehren.
Danke für den Link, den kannte ich gar nicht...:lol3:

Jetzt ist aber erst mal ein paar Wochen Steinchenpause, irgendwie kann ich sie im Moment nicht mehr sehen. Der TSL Kram ist noch nicht mal zur Hälfte weggeräumt...**seufz**

Gruß
Thekla


Tagl
23.06.2010, 20:28

Re: Die Villa Marlier

Hallo Thekla,

das hätte ich gern in echt gesehen. Hut ab, die Villa ist toll.
Ich bin immer wieder überrascht, wie du es schaffst mit überwiegend
sandgrünen Steinen so attraktiv zu bauen. Beim Betrachten der BS-Gallerie
kam mir dann der Gedanke, daß es eben dieses weitgehende Fehlen von Farben
ist, was mich die Details viel mehr erkennen läßt. Da sind einfach keine
Farbkleckse, die von der tollen Bauweise ablenken.

Erhol dich gut
Marco


Thekla
23.06.2010, 21:20

Re: Die Villa Marlier

Hi Marco,

» das hätte ich gern in echt gesehen. Hut ab, die Villa ist toll.

Danke! Einigen Besuchern habe ich erklärt, dass das Original falsch gestrichen sei, mein Modell hätte allerdings die richtige Farbe....:yes:

» Erhol dich gut

Mach ich doch glatt

Gruß
Thekla


BoB
07.07.2010, 20:55

Re: Die Villa Marlier

» » Tatsächlich muss ich gestehen das mir die zusätzliche Szene, mit dem
» » "altgrauen" Legostein der zu Grabe getragen wurde, im Zusammenhang mit
» der
» » Historie der Villa beim ersten Betrachten aufgestossen (Prost!) ist.
» Die Grabszene ist mittlerweile ein "Running Gag" bei Theklas Modellen.
» Obwohl ihr dabei sicher gar nicht zum Lachen ist...

Weis ich doch... aber die Besucher meistens nicht.


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