Henriette
10.04.2002, 21:17

noch mal


Hallo

Der Begriff "Mädchenlego" stammt übrigens nicht von mir, sondern ist mir vor einem guten Jahr zum ersten Mal auf dem Flohmarkt begegnet - und seitdem immer wieder - soviel als Vorwort meiner jetzt folgenden, langen Darstellung, warum ICH Probleme mit der aktuellen Produktpräsentation und -auswahl bei Lego habe. Und eine Aktion wie in Karlsruhe begrüße und weitere Aktivitäten erhoffe. Also:


Als ich den Katalog 2002 zum ersten Mal in der Hand hielt, bin ich fast aus der Kiepe gesprungen, S. 20 hat mich unheimlich wütend gemacht: Kann man denn einem männlichen Kindergartenkind nichts Besseres beibringen, als ein chauvinistisches "Ich bin schneller als du" (= "Mein Schwanz ist länger als deiner.")

Ich habe mir dann natürlich - meine Emotionen überprüfen wollend - den ganzen Katalog genauer angesehen:

Duplo - häufig Jungen und Mädchen, aber
S. 14 - sorgen, umsorgen, Mode, kochen, Wohnung - da spielen nur Mädchen,
S. 16 - bauen - das Mädchen erkennt man erst auf den x-ten Blick (schönen Gruß an Jessica)
S. 18/19 - Bauernhof und Safari gemischt
S. 20 - 23 - Renner und Zooter nur Jungen
S. 24/25 - creator gemischt (Tina muss ja eine Berechtigung haben )
S. 26/27 - belville, die Seite wird wohl automatisch von Jungen überblättert
S. 28 - HP mit Hermine (Zitat einer ca. 11jährigen aus dem Kaufhaus: "Nö, nich das Mädchenlego, dann lieber HP.")
S. 30 - 33 - Jack Stone, cooler Typ, keine Frau dabei, ÄCTSCHION, spielen tut ein Junge
S. 34 - 36 - Fußball ist was für Jungen, sieh, wie sie sich freuen
S. 37, 41 - die kümmerlichen Reste von Burg, Abenteurern und Eisenbahn
S. 38 - 40 - alpha Team, ÄKTSCHION
S. 42 - 43 - Mars, ÄKTSCHION
S. 44 - 47 - HP, nett gell?
S. 48 - 50 - Studios, mal wieder eine (Lego)Frau mittendrin, die Szenen baut und fotografiert ein Junge
S. 51 - 55 - Racers, WOW WROOM
S. 56 - 61 - Star Wars
S. 62 - 63 - bionicle (Text: Und was ist mit Dir? bist du immer bereit für weitere Abenteuer und Action?)
S. 66 - 67 - Technik - nur Rennautos
S. 68 - zwei Jungen beschäftigen sich mit Mindstorms

OK, ich fasse zusammen (entsprechend der Altersempfehlungen):
Schon im Duploalter wird geschlechtsspezifisches angeboten. Im Kindergartenalter und in den ersten zwei Grundschuljahren spielen wir gemeinsam. Oder mit Belville perspektive Racers perspektive Jack Stone. Anschließend gehts in die Welt hinaus - ÄKTSCHION ist angesagt. ENTE!!!

Nur so zum Vergleich: Im Katalog 1992 sind auf der ersten Seite 8 Kinder abgebildet, davon 3 Mädchen (Ende bei Eisenbahn und Technik). Das Duplohaus ist Mädchensache, Toolo die der Jungen. Basic wird über 4 Seiten angeboten, gemischt. Piraten (2 Seiten), Burg (2 Seiten) Paradisa ( 2 Seiten), Stadt (6 Seiten), Eisenbahn (3 Seiten), Schiffe (1 Seite), Space (4 Seiten) - alles im Minifig-Maßstab und quer kombinierbar. Technik (8 Seiten mit Kleinstautos, LKW's, Schiffen) - ab Piraten (S. 20) nicht mehr ein einziges, suggerierendes Jungen- oder Mädchenbild, sondern ausschließlich die Produkte.

Jetzt setzen wir uns mal gemeinsam mit der eigentlichen Zielgruppe für das Spielzeug Lego hin und betrachten mit ihnen die Kataloge - es passiert folgendes: 1992 guckt das Mädchen und guckt und sagt dies und das und das auch noch, 2002 guckt das Mädchen und findet nichts (es sei denn, es ist eine kleine Prinzessin). 1992 guckt der Junge und guckt und sagt dies und das und das auch noch, 2002 guckt der Junge und sagt geil und super und wow und haben wollen.

Als Mutter 1992 sage ich: "Hei, bitte nicht so viel auf einmal, aber du bekommst dies und du das und dann könnt ihr gemeinsam spielen." Als Mutter 2002 blättere ich immer wieder die HP-Seiten auf und verspreche anschließend, mich auf dem nächsten Flohmarkt umzusehen.

Was ich sagen will: Die elterliche Erziehung alleine hat im Angebot und in der Darstellung desselben Grenzen gesetzt bekommen, die ausgesprochen schwer zu durchbrechen sind.

Und nun kommt die Uni und macht mit der Schule ein gemeinsames Projekt: Lego statt Barbie.
Eine Super-Idee, denn der weibliche Nachwuchs fehlt in allen technisch orientierten Berufen.

ABSer: keiner kümmert sich darum, was der Markt zur Unterstützung dieser Maßnahme hergibt, keiner guckt, ob ich als Normalbürgerin (wir hier sind alle ausgenommen, denn wir haben viiiiiiele Legosteine und daher viiiiiele Möglichkeiten) überhaupt in der Lage bin, meine Kinder geschlechtsneutral mit diesem Spielzeug in ihrer Entwicklung zu unterstützen.
Und ich bin, verdammt, nicht dazu in der Lage, so lange ich mir nicht ansatzweise das Wissen, unser Wissen, aneigne.

Wie spielten meine Kinder? 18, männlich, 16, weiblich
Er baute eine Stadt, konstruierte Raumschiffe, schuf Action-Szenen - aus dem Material 1990 - 1995. Sie baute sich ein Haus, an der Stadt eine Badebucht und es war ihr vollkommen egal, wie bunt das Haus war, ob die Eisenbahn oder das Containerschiff an der Badebucht vorbeifuhren. Und dann spielte sie stundenlang in derselben Bausituation, während er schon wieder ein anderes Auto um die Ecke sausen ließ.
Beide spielten mit denselben Steinen, bauten ihre Spielsituation aus denselben flexiblen Elementen auf und dennoch sahen beide Ergebnisse völlig anders aus.

So, und nun sollen alle im Forum versammelten Eltern mal ihre Lego-Kisten unerreichbar wegstellen und die Lego-Kisten ihrer Kinder auf eine Curverkiste reduzieren - gekauft aus dem Geschäftsangebot der letzten 2 Jahre, unwissend bzgl. Freiheitsstatuen, 3033, s&h und nicht bereit, ihren 8jährigen eine collector X-Wing zum Ausschlachten zu kaufen.
Was bleibt ist ein Märchenschloss mit immer schnelleren Kleinstautos, bevölkert von Jack Stone - oder die "langweiligen, ist doch für die Kleinen" Creator-Steine.

Alles, was ich sagen will, ist: Ich begrüße die Hochschulinitiative. Und ich hoffe, dass die Erfahrungen mit dem Projekt zu weiteren Forschungs- und sonstigen Aufträgen führen, die solch einen Einfluss auf unseren Lieblingsspielzeughersteller haben, dass normale Eltern wieder die Möglichkeit bekommen, ihre Töchter und Söhne im gemeinsamen und/oder getrennten Spiel ihre eigenen Wege finden zu lassen. Damit solch geniale Baumeisterinnen hervorgebracht werden, wie ich sie kürzlich kennenlernte - umgekehrtes Spiel wie bei meinen Kindern, 4 Curverkisten Lego Anfang der 90ger und alles an mich verkauft, weil sie sich nicht traut und es ihn nicht interessiert.

Jedenfalls deswegen meine Bitte an Holger (s. anderer Beitrag), diese beiden Kataloge an seinen Professor weiterzureichen, damit auch dieser Aspekt des Projektes Beachtung findet.

sichüberdieäußerenwerbendeneinflüssegedankengemachthabende
Henriette





Henriette
10.04.2002, 21:19

Überschrift: Mädchenlego / @HoMa wg. Uni (ohne Text)


Re: [B]noch mal [/link] von Henriette am 10. April 2002 21:17:16:




HoMa
10.04.2002, 21:30

Dann ich auch noch mal ...


Re: [B]noch mal [/link] von Henriette am 10. April 2002 21:17:16:


>Alles, was ich sagen will, ist: Ich begrüße die Hochschulinitiative.

Es ist wohl eher eine Schulinitiative, die von der FH unterstütz wird, aber ich berichte mehr, wenn ich dort war und mir ein eigenes Bild gemacht habe!

>Jedenfalls deswegen meine Bitte an Holger (s. anderer Beitrag), diese beiden Kataloge an seinen Professor weiterzureichen, damit auch dieser Aspekt des Projektes Beachtung findet.

Ich glaube nicht, dass die Schüler an solch einer Sichtweise interessiert sind, aber ich kann ja mal die Leherin interviewen. Aber ich glaube, so differenziert wie wir sehen es "normale" LEGO-Nutzer nicht ...


1000grüße
Holger



Hümpfch
10.04.2002, 22:00

Hallo Lilalette...


Re: [B]noch mal [/link] von Henriette am 10. April 2002 21:17:16:

...ich kann folgendes nicht so ganz nachvollziehen:

So, und nun sollen alle im Forum versammelten Eltern mal ihre Lego-Kisten unerreichbar wegstellen und die Lego-Kisten ihrer Kinder auf eine Curverkiste reduzieren - gekauft aus dem Geschäftsangebot der letzten 2 Jahre, unwissend bzgl. Freiheitsstatuen, 3033, s&h und nicht bereit, ihren 8jährigen eine collector X-Wing zum Ausschlachten zu kaufen.
Was bleibt ist ein Märchenschloss mit immer schnelleren Kleinstautos, bevölkert von Jack Stone - oder die "langweiligen, ist doch für die Kleinen" Creator-Steine.


Wie Du weißt, ist unser Sohn 8 Jahre alt und er hatte keine Schwierigkeiten, in den letzten zwei Jahren ausreichend Lego aus dem jeweils aktuellen Katalog zu finden.

Angefangen bei Rockraider Ende 99/Anfang 2000 über Adventurers/Dino Island, Burg, Dinosaurier, Life on Mars, Studios, Harry Potter, und - jetzt kommts - auch hin und wieder bestimmte Belville-Sets.

Star Wars spricht ihn überhaupt nicht an, da er altersgemäß natürlich davon nichts nachvollziehen kann.

Das Lego etwas jungslastig ist, liegt allerdings überwiegend in der Art des Spielzeugs begründet, es ist nämlich ein Kontruktions-Spielzeug, und an der Tatsache, dass Mädchen immer noch weniger technisch als Jungs erzogen werden (ob das wohl an den Müttern liegt?).

Wie Du schon schriebst, Deine Tochter baute sich was und spielte dann ewig damit, und Dein Sohn baute ständig was Neues.

Das liegt aber alles nicht an der Armut an entsprechenden geschlechtsspezifischen Lego-Bausätzen, sondern an uns Eltern.

Es gab ja immer wieder Versuche von Lego, mit entsprechenden Themen und Farben Kontruktionsspielzeug auch an die Mädchen zu bringen, siehe z.B. Paradisa, was man übrigens gebraucht in immer wieder erstaunlichen Vollständigkeitszuständen bekommt (deckt sich ja offensichtlich mit den Spielgewohnheiten Deiner Tochter).

Wenn über solche Themen als Einstieg die Mädchen nicht an technisches Spielzeug herangebracht werden können, dann kann man Lego eigentlich keinen Vorwurf machen.

Und dann in einem sowieso insgesamt stark jungslastigen Spielzeugmarkt diese Zielgruppe stärker anzusprechen, ist doch durchaus unternehmerisches Denken, insbesondere, wenn man rote Zahlen schreibt.

Also: was schlägst Du vor, was Lego für Mütter und Töchter an Themen aufgreifen sollte?

Back to the Eighties, aber dann richtig, mit emanzipierten Stadt-Sets, wie z.B. eine Frauenkneipe, eine Exklusiv-für-Frauen-Fahrschule, oder die erste City-Großbaustelle mit Bauleiterin in lila Latzhose und Teestube statt Bier-Imbiss?

Schwierig, schwierig aus der Sicht eines technikerfahrenen und rollenerprobten Vater eines Sohnes.

Ronald


Henriette
10.04.2002, 22:42

Re: Dann ich auch noch mal ...


Re: [B]Dann ich auch noch mal ...[/link] von HoMa am 10. April 2002 21:30:04:

Hallo Holger

>>Alles, was ich sagen will, ist: Ich begrüße die Hochschulinitiative.
>Es ist wohl eher eine Schulinitiative, die von der FH unterstütz
>wird, aber ich berichte mehr, wenn ich dort war und mir ein eigenes
>Bild gemacht habe!

Ist doch egal. Der Prof hat gesagt, es fehlt Nachwuchs und deshalb unterstützt er es. Das ist der Kern.

>Ich glaube nicht, dass die Schüler an solch einer Sichtweise
>interessiert sind, aber ich kann ja mal die Leherin interviewen.

Kennst Du den unterrichtlichen Zusammenhang, in dem die Schülerinnen stehen? Würde mich interessieren, ggf. auch ein Kontakt zur Lehrerin.

>Aber ich glaube, so differenziert wie wir sehen es "normale"
>LEGO-Nutzer nicht ...

Das ist ja das Problem, weshalb die Produktpräsentation noch gewichtiger wird.

Viel Spaß und viel Erfolg - ich würde gerne Gatzweiler III sehen
Gruß
Henriette


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