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Wenn man in Sachen LEGO nach dem Thema „Eisenbahn“ umtut, kommt man früher oder später nicht um ihn herum: Holger Matthes, besser bekannt als „HoMa“. Von Anfang an prägt allerlei Schienengebundenes sein Schaffen, und all sein Wissen und sein Können hat er nun in einem Buch unterbringen können, das wir jüngst im Magazin vorgestellt haben.
Ingo Zechstein: Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zur Veröffentlichung deines neuen Buches. Wie ist das Gefühl, sich selber gedruckt in Händen zu halten?
Holger Matthes (HoMa): Herzlichen Dank. Das war schon ein einzigartiger Moment, als ich das erste Exemplar aus dem Umschlag gezogen habe. Monatelang waren das Manuskript und die Druckfahne nur virtuell am Bildschirm zu sehen, von daher war es spannend, endlich mal was "Handfestes" in den Händen zu halten.
Woher kommt es, dass sich dein Schaffen hauptsächlich um Züge und Schienen dreht - stammst du aus einer Eisenbahnerfamilie? Erzähle uns bitte, wie LEGO in dein Leben kam.
Nein, aus einer Eisenbahnerfamilie stamme ich nicht. Aber die LEGO Eisenbahn hat mich schon als Kind fasziniert, und auch mein erstes MOC als AFOL stand auf Schienen. In Kindertagen war das Ideenbuch #7777 die Inspiration für mich. Als ich dann 1999/2000 die ersten MOCs von anderen LEGO Fans im Internet entdeckte, waren das oft Eisenbahnmodelle, und ich war beeindruckt, was der ein oder andere aus LEGO umgesetzt hat. So habe ich dann eben auch angefangen, verschiedene Modelle aus dem Märklin Katalog mit LEGO nachzubauen.
Wir kommen nicht darum herum, bei der Frage nach deinen Anfängen auch auf Heiner Berg zu sprechen zu kommen: Welchen Anteil hatte dieser leider viel zu früh Verstorbene daran, dass aus dir der wurde, der du in Sachen Eisenbahn inzwischen bist? Erzähl uns ein bisschen aus dieser Zeit bitte.
Mit Heiner hat die LEGO Fangemeinde einen wirklich kreativen und liebenswerten Menschen verloren. Ich lernte Heiner standesgemäß in der Eisenbahn kennen. Nach der ersten Kontaktaufnahme per E-Mail stellte sich raus, dass wir die gleiche Pendlerstrecke hatten. So traf man sich noch etwas verschlafen morgens im Regional Express und begann über LEGO zu fachsimpeln. Was das Thema LEGO Eisenbahn angeht, so hat jeder von uns seinen ganz eigenen Ansatz gelebt. Heiners zahllose Farbkombinationen des blauen Schüttgutwagens #4536 bleiben unvergessen. Und auch sein Jagen auf Bricklink nach Dachsteinen in allen möglichen seltenen Farben und seine liebevoll gestalteten Eisenbahn- und Stadtlayouts bildeten den Markenkern von Heiner. Im Gegensatz dazu war ich von Anfang an näher am Modellbau angesiedelt und ich habe versucht, reale Vorbilder auf die LEGO Schienen zu stellen.
LEGO und Eisenbahn - das ist keine Paarung, die stets von eitel Sonnenschein zwischen TLC und AFOL geprägt war und ist. Wie siehst du das aktuelle Angebot im Vergleich zu dem, was es früher gab?
Das Thema Eisenbahn wird seit einigen Jahren schon sehr stiefmütterlich von LEGO behandelt, da kann man froh sein, dass es überhaupt noch zwei, drei Eisenbahn Sets im aktuellen Sortiment zu finden gibt. Klar, die Anziehungskraft von Star Wars erreicht das Thema Eisenbahn nicht, aber die vielen E-Mails, die mich von Eltern erreichen, die mit ihren Kindern das Thema LEGO Eisenbahn wieder aufleben lassen, zeigen, dass es durchaus ein Potential für die Eisenbahn gibt. Ich dreh daher gerne mal die Argumentationskette um: das Interesse der potentiellen Kundschaft an der LEGO Eisenbahn ist gering, weil es eben kaum themenspezifische Sets und kein Zubehör gibt. Und nicht, wie seitens TLC zu hören, dass man das Thema Eisenbahn klein hält, weil die heutige junge Generation kein Interesse an diesem Thema hat. Einen Hoffnungsschimmer für die AFOLs bildet die Expert Reihe, die ja immer mal wieder auch ein Eisenbahn-Set hervorgebracht hat. Aber unterm Strich hätte ich, gerade zum 50jährigen Jubiläum der LEGO Eisenbahn, etwas mehr Engagement aus Billund erwartet. Aber Friends und Nexo Knights scheinen den Nerv des Mainstream besser zu treffen als das Thema Eisenbahn ...
Man wüsste jetzt nicht, an welches Projekt du dich noch nicht gewagt hättest. Aber gibt es eine Lokomotive, die dich einfach zum Bau reizen würde?
In der Tat, ich habe schon viele Vorbilder umgesetzt, und wenn man sich die Eisenbahn Community anschaut, wird es schwer, ein Vorbild zu finden, dass noch nicht in dänischem Kunststoff modelliert wurde. Im Rahmen der Vorbereitungen auf mein Buch sind mir aber durchaus noch einige Ideen in den Kopf gekommen, die ich mal umsetzen könnte, so zum Beispiel eine mit Power Functions ferngesteuerte und angetriebene Variante meines alten Eisenbahn-Krans.
Seit dem Jahre 2000 bei 1000steine.de und mit der runden Mitgliedsnummer 100 bist du einer der alten Hasen auf dieser Seite. Wie hat sich das Forum entwickelt aus deiner Sicht? Was ärgert, was freut dich?
Denn deutlichsten Unterschied macht wohl die Menge der LEGO Fans, die heute aktiv sind. Vor 15, 16 Jahren gab es in Deutschland mit 1000steine.de nur die eine Plattform und mit dem TSL (Tausend-Steine-Land) eine große Veranstaltung im Jahr. Man kannte sich untereinander, und TLC hatte erst zaghaft begonnen, das Phänomen "AFOL" anzuerkennen. Heute gibt es an jeder Ecke einen Stammtisch, und regionale Vereine überspannen die Republik. Und wer will, kann an einem Wochenende zwei Fan-Veranstaltungen besuchen und sich auch am nächsten Wochenende mit Gleichgesinnten austauschen.
Welche Auswirkungen hat das aus deiner Sicht?
Dadurch hat natürlich eine Zersplitterung stattgefunden. Man kann gar nicht mehr jeden kennen und auch nicht mehr alle MOCs wahrnehmen. Und auch 1000steine.de ist nicht mehr das alleinige Zentrum der deutschsprachigen Community. Diesem Wettbewerb muss man sich stellen und darf sich nicht zurücklehnen und sich an der größten (?) Zahl von Mitgliedern erfreuen. Ein nicht ganz smartphone-freundliches Layout der 1000steine.de-Seite und die - im Vergleich zu anderen, kleineren RLUGs - restriktiveren Möglichkeiten bei der Teileauswahl im Rahmen der LUG-Bulk Aktion sind nur zwei Punkte, die nicht unbedingt dafür sprechen, sich nur auf 1000steine zu bewegen.
Wie sieht nach deiner Einschätzung die Zukunft aus? Wie geht es mit „der Szene“ weiter?
Ich glaube, mittelfristig werden sich im deutschsprachigen Raum einige LUGs etablieren können, und das Thema „regionale Zugehörigkeit“ wird für die Fans wichtiger. Da stellt sich dann die Frage, welchen Mehrwert 1000steine.de als - ich nenne es mal „Dachorganisation“ - für die Fans im deutschsprachigen Raum, aber auch für die regionalen LUGs bieten kann? Eine deutschsprachige Oberfläche für die ausgezeichnete und stets aktuelle Set-Datenbank von brickset.com wäre sicher erfolgversprechender als die nicht optimal gepflegte Set-Referenz auf 1000steine.
Du hast dich im Rahmen Deines Buchs auch intensiv mit dem Thema Bauanleitungen für MOCs beschäftigt. Wie gehst du mit den Themen "Bauteile" und "Trittbrettfahrer" um?
Der Verlag hat mich in der Tat ermuntert, auch Bauanleitungen für die gezeigten Modelle zu veröffentlichen. Ursprünglich war mal angedacht, nur die Anleitung für den relativ einfachen ICE mit in das Buch aufzunehmen. Aber so wirklich rund wurde die Sache erst durch die weiteren Anleitungen, die zeigen, wie auch komplexere Modelle gebaut werden. Der Verlag hat kurzerhand den angestrebten Seitenumfang um gut 100 Seiten nach oben geschraubt. Dennoch konnte ich mich nicht so "breit" austoben, wie das die Profis bei TLC dürfen. Für die komplexen Bauanleitungen meiner beiden Dampfloks BR 10 und BR 80 war dann aber wirklich kein Platz mehr im Buch, und wir haben uns für die Variante "PDF als Download" entschieden. Wohl wissend, dass dies eine Steilvorlage für diejenigen bedeutet, die daraus Gewinn schlagen wollen und versuchen, meine Ideen zu Geld zu machen. Das ist zwar ärgerlich, aber in der heutigen Ellenbogengesellschaft wohl nicht zu vermeiden.
Waren das die einzigen Kompromisse, die du eingehen musstest?
Ein weiterer Spagat war bei den verwendeten Bauteilen nötig. High-End MOCs zeichnen sich nun mal dadurch aus, dass einige schwer zu beschaffende Teile verwendet werden. Da kann ich den Frust schon verstehen, wenn es selbst mit einer mittelgroßen LEGO Sammlung nicht gelingt, diese Modelle nachzubauen und die benötigten Teile gar nicht oder nur übertrieben teuer kaufen zu können. An dieser Stelle möchte ich aber an die eigene Kreativität appellieren und dazu auffordern, sich inspirieren zu lassen und mit den verfügbaren Teilen eigene Lösungen zu entwickeln.
Lass uns unser Gespräch mit etwas Positivem beenden: Worauf freust du dich besonders, wenn du dir den neuen Katalog durchschaust?
Der Katalog ist doch eher nur was für die Paperware Sammlung Alles, was darin beworben wird, ist dem eingefleischten AFOL doch schon längst bekannt, und die hochauflösenden Bilder der neuen Sets wurden schon längst analysiert.
Ich warte lieber auf die neusten Updates der Inventarlisten auf Bricklink und der spannenden Entdeckungsreise nach neuen Farben und Formen in Sets aus allen möglichen Themenwelten. Denn wie sagte Heiner immer so treffend: "Jedes LEGO Set ist ein Eisenbahnergänzungsset."
Wir danken dir für das Gespräch und wünschen dir viel Erfolg mit deinem Buch!
Zur Rezension: "LEGO Eisenbahn - Es kommt ein Zug gefahren!"
Zechstein, 22.09.2016, 09:13 in Presse/Radio/TV | Views: 1700 | Tags: Buch Interview